Weihnachten ist überstanden, aber Silvester steht noch bevor, wir haben jetzt die Tage zwischen den Jahren, an denen die meisten Kindergärten – und die Schulen sowieso – geschlossen sind. Eine gute Gelegenheit, Kinder bei den Großeltern zu parken und Ruhe zu suchen … Aber das klappt ja nicht immer, und so dürften in einigen Familien die Nerven blank liegen. Extremsituation! Und also ideale Bedingungen, um herauszufinden, welcher Erziehungstyp man ist.
In diesem Buch geht es nicht um vermeintlich tyrannische Kinder und wie man sie brav bekommt (oder nicht), sondern um die Eltern. „Typisch Eltern – 7 Arten Kinder zu (v)erziehen“ von Felicitas Römer stellt in sieben Kapiteln poinitert sieben Elterntypen vor. Das kann man sich von der ersten bis zur letzten Seite hintereinanderweg durchlesen, aber die Kapitel stehen für sich, so dass man zum Beispiel mit dem Elterntyp, der am interessantesten klingt, anfangen und irgendwo weitermachen kann. Das Buch sei „geduldig und flexibel einsetzbar“, schreibt Felicitas Römer, und so ist es auch. Die Autorin hat selbst vier Kinder, und da müssen Bücher vermutlich ab und zu länger auf dem Nachttisch warten.
Das Buch ist klein und handlich (Hardcover!), die Schrift ist leider auch nicht allzu groß, aber man muss sich nicht extra eine Brille anschaffen, wenn man sonst keine benötigt, die Dudenschrift ist schon mal kleiner, es geht also wirklich. Zu jedem Elterntyp gibt es eine Illustration von Jens Rassmus, eine gute Vorlage, die man dann mit dem eigenen Kopfbild von diesem Elterntyp abgleichen kann.
Die sieben Elterntypen: Chef, Kuscheleltern, Animateur, Selbsterfahrungseltern, Bullerbüeltern, Schlauberger, Coach. Wie ist die Autorin auf diese Typen gekommen? Sie sind „das Ergebnis meiner langjährigen Beschäftigung mit dem Thema ‚Familie und Erziehung‘ – als Mutter, als Journalistin, als systemische Familienberaterin“, schreibt Felicitas Römer im Vorwort. Sie sind natürlich überzeichnet, es sind Typen, die man nicht 1:1 treffen wird, aber gerade das kann das Erkennen erleichtern.
Die Kapitel sind gleich aufgebaut. Zunächst werden die Elterntypen vorgestellt, was sind ihre Stärken und Schwächen. Dann wird eine Situation geschildert, z. B. das Kind will im Supermarkt partout etwas haben. Nun werden verschiedene Reaktionsmöglichkeiten der Eltern gezeigt, mögliche Erziehungsfallen benannt, für die der jeweilige Elterntyp anfällig ist, und es wird gesagt, wie man es vermeiden könnte, in diese Fallen zu tappen.
Nehmen wir den Cheftypen. Er hat oft einen Kommandoton drauf: Lass das! Sitz ruhig! Iss ordentlich! Sei leise! – Wer kennt das nicht. Was sagt Felicitas Römer? Dass das Kind einen respektvollen Umgangston verdient. Es ist eben ein Kind, ein kleiner Mensch – und kein Hund. Man sollte beobachten: Wann hat man diesen Ton drauf? Man sollte sich vorstellen: Wie würde man sich fühlen, wenn man an der Stelle des Kindes wäre und ständig herumkommandiert würde? Das ist eigentlich der Weg, den die Autorin bei allen geschilderten Erziehungsfallen vorschlägt: Augen öffnen, erkennen, was eventuell schiefläuft, nach dem Warum fragen, dazu zeigt sie mögliche Lösungen auf.
Sie ist dabei nicht dogmatisch. Leute, die selbst Kinder haben und die Höhen und Tiefen des Familienalltags kennen, wissen eben, dass Mütter und Väter auch nur Menschen sind und nicht durchgehend konsequent, geduldig, ‚erwachsen‘ handeln. Der Knackpunkt ist eher, dass manche Verhaltensweisen besser kein Dauerzustand werden sollten – wie z. B. das „Wenn du das nicht machst, dann gibt es morgen das nicht“-Verhalten, das Felicitas Römer im Chefkapitel bespricht.
Die Autorin baut zur Veranschaulichung zahlreiche Beispiele verschiedener Situationen mit Kindern unterschiedlicher Altersgruppen ein. Dass meist von „Ihrem Kind“, „Ihrer Tochter“, „Ihrem Sohn“ die Rede ist, fand ich etwas irritierend, angenehmer war doch die Variante, einen beliebigen Namen zu wählen und ein Alter zu erwähnen, beispielsweise Leona, 4 Jahre.
Gut finde ich den Ansatzpunkt dieses Ratgebers – die Elterntypen zu ‚beobachten‘ und ihre Arten des Erziehens unter die Lupe zu nehmen. Ich schätze, jede Leserin und jeder Leser mit Kind oder Kindern wird einige Merkmale von sich wiederfinden oder sogar bei einem Typ ein Aha-Erlebnis haben. Manche Typen könnten einem gänzlich fremd sein, und dann ist es wiederum spannend, hier ein paar Einblicke zu erhalten. Vielleicht kann man für sich ein paar Tipps mitnehmen und/oder Anregungen, sich weiter zu belesen. Allein durch die Lektüre dieses Buches wird eine Chefmutter sicher nicht von heute auf morgen ihre Wenn-aber-Drohungen einstellen, aber das erwartet ja keiner von einem Buch, nicht einmal die Autorin, die im Gegenteil empfiehlt: „Geben Sie sich Zeit, wenn Sie an sich arbeiten möchten. Gehen Sie kleine Schritte. Haben Sie Geduld, wenn es zu den unvermeidlichen ‚Rückfällen‘ kommt. Und machen Sie sich zwischendurch immer wieder klar, was Sie alles schon geleistet haben und was in der Familie gut läuft.“ Das ist doch mal ein ordentliches Schlusswort! Ergänzen will ich nur noch, dass das natürlich doch ein Erziehungsratgeber ist – einer, der an der Selbsterziehung der Eltern feilt!
Typisch Eltern – 7 Arten Kinder zu (v)erziehen
Felicitas Römer
Walter-Verlag
Oktober 2010
209 Seiten
14,95 Euro
ISBN: 978–3‑530–50603‑7