Kate Milford: „Greenglass House“

Milo ist zwölf und lebt in einem Schmuggler-Hotel, einem rie­si­gen alten Herrenhaus, in dem Zimmer an Gäste ver­mie­tet wer­den – die meis­tens Schmuggler sind. Betreiber des Greenglass House sind Milos Eltern Mr. und Mrs. Pine. Sie haben Milo als Baby adop­tiert und man sieht auch, dass er nicht ihr leib­li­cher Sohn ist. Macht aber nichts, eine inni­ge­re Eltern-Kind-Beziehung als zwi­schen den Pines und Milo scheint kaum mög­lich zu sein. Aber Milo denkt natür­lich immer mal an sei­ne leib­li­chen Eltern, von denen er über­haupt nichts weiß …

Es ist kurz vor Weihnachten, end­lich sind Ferien. Die Pines freu­en sich auf eine Woche ganz ohne Gäste, die sie zu dritt und in Ruhe ver­brin­gen wol­len. Doch dann klin­gelt die Glocke der Standseilbahn, die Gäste aus der Stadt hoch zum Greenglass House bringt (und wie­der zurück). An einem eis­kal­ten Winterabend will doch jemand ins Schmuggler-Hotel. Wenig spä­ter erklingt die Glocke noch­mals. Und noch ein­mal … Milo hält viel von Gewohnheiten und Verlässlichkeit. Dass in sei­ner Ferienwoche Gäste auf­tau­chen, bringt ihn ziem­lich durch­ein­an­der. Und man ahnt es schon: Die Gäste blei­ben nicht brav auf ihren Zimmern und rei­sen bald wie­der ab, son­dern sie alle sind da, weil sie etwas Bestimmtes wol­len. Was das ist, fin­det Milo nach und nach her­aus, zusam­men mit dem Mädchen Meddy. Die bei­den den­ken sich ein Rollenspiel aus, in dem Milo der muti­ge und sou­ve­rä­ne Negret ist. Mithilfe die­ser Rolle und viel hei­ßer Schokolade lösen sie Rätsel um Rätsel und brin­gen noch Licht in eine alte Geschichte.

Das Buch ist ziem­lich unauf­ge­regt, aber fes­selnd, es spielt die gan­ze Zeit im Greenglass House mit einem fes­ten Stamm von Personen, über die man immer mehr erfährt. Die Geschichte rollt sich all­mäh­lich auf, man weiß kei­nes­falls von Anfang an, in wel­che Richtung es geht und was am Schluss pas­siert. Die Personen sind sorg­fä­tig gezeich­net, jede für sich, die ver­gisst man nicht so schnell. Das gilt beson­ders für Milo, und nicht nur, weil man ihn über alle knapp 450 Seiten beglei­tet. Die zwei­te Hauptrolle spielt wahr­schein­lich Greenglass House. Da wür­de ich auch gern mal Gast sein …

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Kate Milford: Greenglass House
Aus dem Englischen von Alexandra Ernst
Illustrationen: Jaime Zollars
447 Seiten
ab 11 Jahren
Verlag Freies Geistesleben 2016
ISBN: 978–3‑7725–2780‑7
19,90 Euro

Christiane Kutik: „Herzensbildung. Von der Kraft der Werte im Alltag mit Kindern“

Einerseits kann man sich unter dem Titel etwas vor­stel­len. Andererseits fin­de ich ihn nicht so rich­tig über­zeu­gend. Viel bes­ser ist dage­gen das Coverbild: mit dem Kind, das in sich hin­ein­lä­chelnd vor einer satt­gel­ben Wand sitzt.

Das Buch hat mich posi­tiv über­rascht. Ich hat­te den übli­chen Erziehungsratgeber erwar­tet, mit viel Text, mehr oder weni­ger gut ver­pack­ter Theorie und Regeln, die garan­tiert, viel­leicht oder auch nicht hilf­reich sind. Stattdessen: ver­hält­nis­mä­ßig wenig Text. Am Anfang jedes Kapitels gibt es auf einer Doppelseite ein Bild, schö­ne, star­ke Bilder sind das, die zum jewei­li­gen Kapitel pas­sen. Dann der Text, sozu­sa­gen in Häppchen, mit Zwischenüberschriften. Liest sich sehr schnell. Und lässt bald den Gedanken auf­kom­men, dass man das Buch nach dem Durchlesen noch­mals zur Hand neh­men wird. Womöglich öfter.

Und was steht nun drin? Nichts Neues im Prinzip. Dinge, die auf der Hand lie­gen. Die man aber als Eltern immer mal wie­der lesen und/oder hören muss, weil der Alltag sei­nen Sog hat und es viel zu leicht ist, sich trei­ben zu las­sen. Weil Eltern und Kind sein jetzt anders ist als noch vor zehn Jahren. Weil jede Eltern-Kind-Beziehung etwas Besonderes, Einzigartiges ist, es aber Anhaltspunkte gibt. Das Buch ist eine Einladung an Eltern, ihre Beziehung zum Kind zu reflek­tie­ren, das eige­ne Verhalten infra­ge zu stel­len. Und die­se Einladung ist nicht ver­kopft, man kann sich im Gegenteil gut vor­stel­len, dass die Autorin das so auch erzählt, wenn sie Eltern coacht, nicht dog­ma­tisch, son­dern auf Augenhöhe und mit vie­len Beispielen, kon­kre­ten Situationen, was den Text abwechs­lungs­reich und leben­dig macht.

Wie ist das mit dem Lügen, dem Helfen im Haushalt, dem Smartphone, dem Bestrafen, dem Belohnen, dem Selbstwertgefühl, dem Mitgefühl und und und? Ich fin­de es erstaun­lich, wie viel in die­sem Buch auf gera­de mal 156 Seiten steckt, jede Menge Anregungen zum Nachdenken und gute, ein­fa­che Tipps. Und zwar nicht nur für Eltern von Kleinkindern, son­dern auch von Jugendlichen.

Wenn man Elternblogs oder Elternzeitschriften liest, hat man oft genug den Eindruck, dass die ande­ren in der Erziehung „alles rich­tig machen“, denn wer posaunt schon Fehler und Negatives in die Welt hin­aus? Da ist so ein Buch ganz hilf­reich, weil hier ange­spro­chen wird, was schief­lau­fen kann – aber auf eine auf­bau­en­de Art und Weise eben auch, wie es anders ginge.

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Christiane Kutik: Herzensbildung. Von der Kraft der Werte im Alltag mit Kindern
158 Seiten
Verlag Freies Geistesleben 2016
ISBN: 978–3‑7725–2744‑9
18,90 Euro