Es war einmal ein Hase, der verdiente sich seinen Lebensunterhalt damit, für andere Hasen und Waldbewohner Ostereier zu bemalen. Er machte das schon einige Jahre und konnte gut davon leben. Seine Kunden bezahlten zumeist mit Möhren oder anderen Dingen, die er brauchte. Eines Tages stand ein neuer Kunde vor der Tür, es war der alte Uhu. Er brauchte dringend Hilfe. Er hatte sich selbst am Bemalen der Ostereier versucht und das war wirklich nicht schön geworden. Der Hase sah, dass es viel Arbeit war und fragte den Uhu nach seinen genauen Wünschen. Sie vereinbarten als Honorar 20 Möhren und den Tag, bis zu dem der Hase die Eier fertighaben sollte.
Er begann gleich die Arbeit, und sie machte ihm Spaß. Am Ende hatte er aus den Ostereiern, deren Muster und Farben er ja beibehalten sollte, das Beste gemacht. Er schickte sie per Boten zum Uhu. Der reagierte einige Tage nicht, und dann kam eine Brieftaube, die dem Hasen verkündete: Der Uhu sei nicht zufrieden mit den Eiern, der Hase würde 10 statt 20 Möhren bekommen, und gut.
Der Hase ging zum Uhu, er wollte ihn fragen, was ihm nicht passte an den Eiern. Er hätte sogar noch einmal drübergemalt, wenn der Uhu ihm sagen würde, was nicht in Ordnung sei für ihn. Der Uhu öffnete aber nicht die Tür, er war wie vom Erdboden verschluckt. Der Hase schickte also eine Brieftaube zu ihm: Er habe gute Arbeit geleistet, würde gern wissen, was ihm nicht gepasst habe und bestehe darauf, dass der Uhu die vereinbarten 20 Möhren bezahle.
Darauf kam keine Reaktion. Also schrieb der Hase alles auf und steckte den Brief selbst in den Briefkasten des Uhus. Innerhalb vier Wochen sollte er bezahlen, das war im Wald so üblich. Nach vier Wochen waren keine Möhren da, dafür ein Brief von dem Uhu: Er habe die Sache an seinen Reiher weitergegeben, der müsse alles prüfen. Der Hase solle abwarten und sich in Geduld üben.
Der Hase schluckte und wartete. Nach einigen Wochen ohne Meldung schickte er einen weiteren Brief, auf den keine Antwort kam. Dann zog er selbst los und bat einen Reiher, ihm zu helfen. Der Reiher schrieb einen ernsten Brief an den Uhu, der daraufhin sofort reagierte. Die zwei Reiher, der von dem Uhu und der vom Hasen, verhandelten und einigten sich auf einen Vergleich. Der Uhu wolle die Möhren zahlen, 10 Stück. Der Hase stand da. 10 Möhren? Aber er wollte endlich nichts mehr mit dem Uhu zu tun haben, und so sagte er Ja. 10 Möhren waren immer noch besser als keine oder ein ewiges Hin und Her zwischen den Reihern, dachte sich der Hase.
Binnen drei Wochen sollte der Uhu die Möhren dem Hasen geben. Der Hase war erleichtert und glücklich, dass diese unerfreuliche Sache endlich vorbei sein würde. Nun wartete er auf die Möhren. Und wartete. Die drei Wochen waren abgelaufen, und es waren noch immer keine Möhren da. Der Hase würde eine weitere Woche warten. Dann würde er wieder zum Reiher gehen, damit dieser die Möhren eintreibe. Wie unerquicklich!
Es waren mittlerweile Monate, die der Hase auf seine Möhren wartete. Dabei war der Uhu doch ein weises Tier. Zu ihm gingen viele jungen Tiere des Waldes, um zu studieren, auch der Hase hatte vor langer Zeit bei ihm gelernt. Dieses neue Gesicht des Uhus hätte der Hase lieber nicht kennengelernt.
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Das Leben schreibt die besten Geschichten, heißt es. Das Leben schreibt ziemlich miese Geschichten, denke ich manchmal. „Die Geschichte vom Hasen und vom Uhu“ ist erstunken und erlogen. Vor allem aber ist sie wahr. Direkt aus meinem Berufsalltag. Schöne Geschichten gibt es da auch. Vielleicht erzähle ich die ein andermal …