Im Inselkönigreich Iriann lebt der junge Rowan, der zwar kein Königssohn, aber der Königstochter Alyss versprochen ist. Schon als sie noch Kinder waren, wurde die Verbindung von den Eltern beschlossen, und die beiden kennen und mögen sich. Aber Rowan steht auf Männer – was niemand außer ihm weiß und auch nicht erfahren soll, denn Liebe zwischen Männern ist geächtet. Dazu kommt, dass Rowan eigentlich ein „guter Sohn“ sein und das machen will, was sein Vater, ein Herzog, sich für ihn vorstellt, also Alyss heiraten und König werden. Seine Familie reist für den Sommer in die Hauptstadt. Dort soll Rowan Zeit mit seiner zukünftigen Frau verbringen und sich als neues Mitglied im Rat des Königreichs bei der Entscheidung über das Schattenlabyrinth einbringen. Das Schattenlabyrinth ist die Quelle der Magie auf der Insel. Wenig überraschend hat die Magie zwei Seiten, eine gute und eine schlechte: Die Menschen nutzen sie in Form von magischen Artefakten, mit denen sie handeln. Aber die Magie bringt auch Schattenkreaturen und die Krankheit Hexenbrand hervor, weswegen zur Debatte steht, das Schattenlabyrinth endgültig zu versiegeln.
In der Hauptstadt angekommen trifft Rowan gleich auf Ash, der ihm seit ihrer ersten Begegnung vor einem Jahr nicht mehr aus dem Kopf gegangen ist. Das Buch heißt „Rowan & Ash“, und dies ist also ihre Geschichte. Erzählt wird sie ausschließlich aus Rowans Perspektive, ihm folgt man die ganze Zeit, seine Gedanken und Gefühle erfährt man. Rowan ist kein schillernder Held, er ist sehr nahbar, stellt sein Licht eher unter den Scheffel, als dass er mit irgendetwas pranzen würde. Seine beste Freundin ist eine Bürgerliche, Raven, die an der Akademie der Magier in der Hauptstadt studiert. Rowans Vater ist besorgt, dass Gerüchte aufkommen könnten, wenn Rowan zu viel Zeit mit Raven verbringt, denn naturgemäß wird am Königshof gemunkelt und sicher auch intrigiert. Doch an Rowan scheint das alles abzuperlen, seine einzige „Schwachstelle“ ist Ash, den er deshalb möglichst meiden will, was ihm nicht gelingt – und schließlich stellt Ash ihn vor eine Entscheidung und eine Aufgabe im Schattenlabyrinth, für die Rowan mutiger sein muss als je zuvor …
Wer eine dramatische, schillernde Liebesgeschichte und laute, überwältigende Fantasy erwartet, ist bei „Rowan & Ash“ falsch, in der Hinsicht ähnelt das Buch seinem Hauptcharakter. Es ist gut, wenn man sich für das Lesen Zeit nimmt und Sätze nicht nur überfliegt bzw. verschlingt, wie das bei einem ausschweifenden Fantasyschmöker ja durchaus mal passiert. Die Gespräche, Zwischentöne wollen beachtet sein, erst dann entfaltet das Buch seine, man könnte sagen: Magie. Manches mag vertraut erscheinen, durchaus gegenwärtig. So haben Rowans Eltern zwar bestimmte Vorstellungen für ihn, aber sie wollen auch, dass er glücklich ist. Seine Verlobte Alyss könnte er lieben, wenn er denn solche Gefühle für Frauen haben würde. Selbst bei seiner besten Freundin ist er sich nicht sicher, wie sie reagieren wird, wenn er ihr offenbart, dass er einen Mann liebt. Unsicherheiten, Zweifel, Fragen, die etliche Jugendliche umtreiben dürften, wenn sie realisieren, dass sie schwul oder lesbisch sind. Interessant ist unter dem „realistischen“ Aspekt auch die Art von Magie, die Autor Christian Handel schildert, sie erscheint wie eine Strahlung, die schädigen und gar zerstören kann, da mag einiger Raum für Interpretation sein.
Das Ende kommt ein wenig zu früh, zwar gibt es eine Entscheidung, aber man würde schon gerne erfahren, welche Konsequenzen sie hat und wie es danach weitergeht. So muss man den Faden selbst weiterspinnen, was irgendwie auch okay ist. Und der letzte Satz des Buches: Der ist wunderbar.
Christian Handel: Rowan & Ash. Ein Labyrinth aus Schatten und Magie
Lektorat: Emily Huggins
416 Seiten
ab 14 Jahren
2020 ueberreuter
ISBN: 978–3‑7641–7105‑6
17,95 Euro