Manche Bücher sind einem ja fast peinlich. Die liest man und dann verschwinden sie irgendwo in der Wohnung, ins Buchregal schaffen sie’s jedenfalls nicht. Was einem peinlich ist, mag unterschiedlich sein, mir ist, was Bücher angeht, im Prinzip nichts peinlich, ich lese wirklich fast alles, querbeet. Ohne Komplexe zu entwickeln, weil das vielleicht mal zu sehr Fast Food ist.
Aber um zum konkreten Buch zu kommen: Vor einer Weile sah ich in der Bibliothek eines dieser Bücher, bei denen man sofort an Dora Heldt denkt: blauer Umschlag und irgendwelche skurrilen (gemalten) Alten drauf. Sodass man gleich merkt: Aha, das ist lustig, das ist leichte Kost. Das Buch war aber nicht von Dora Heldt, sondern von Bettina Haskamp, „Hart aber Hilde“ hieß es. Und mal ehrlich, den Titel in Kombination mit so einem Comic-Cover fand ich schon leicht peinlich. Ich nahm das Buch dennoch mit, mir war nach Popcorn, und wenn das eine Dora-Heldt-Nachahmerin war, warum nicht? Bettina Haskamp ist aber keine Nachahmerin, gemeinsam hat ihr Hilde-Buch mit den Heldt-Büchern vor allem, dass die Helden und Heldinnen jenseits der 40 sind und auch Rentner nicht nur als Oma und Opa oder sentimentales Beiwerk auftreten.
Während Dora Heldt lustige, einfach unterhaltende Lektüre verfasst, geht’s bei Bettina Haskamp ein wenig tiefer. Nicht allzu tief, und ein Happy End ist auch drin, aber „Hart aber Hilde“ nimmt nicht nur ausgetretene Wege, und vor allem die Hauptperson ist ziemlich „echt“. Das Buch fand ich okay, also lieh ich mir später auch „Alles wegen Werner“ aus, ebenfalls von Bettina Haskamp. Falls möglich, ist das Cover noch peinlicher als das von „Hart aber Hilde“, und, Überraschung, es hat mit dem Inhalt rein gar nichts zu tun. Warum nimmt der Verlag wohl als Motiv ein dickes Rentnerpaar, bei dem die Frau den Mann wie ein Fass durch die Gegend rollt? Warum nimmt er als Titel das saloppe, ulkige „Alles wegen Werner“? Vermutlich, weil Dora-Heldt-Bücher sich gut verkaufen und die Haskamp-Bücher die gleiche Zielgruppe erreichen sollen … Da es mittlerweile drei Haskamp-Bücher mit solchen Covern und Titeln gibt und das vierte demnächst erscheint, ist die Strategie wohl erfolgreich, und bei mir hat’s ja auch geklappt.
Aber: ganz so hässlich hätten Titel und Cover nun wirklich nicht sein müssen. Denn gerade „Alles wegen Werner“ (autsch!) ist ein richtig schönes Buch. Bettina Haskamp hat eine gute Schreibe, man ist gleich mittendrin in der Geschichte, fremdelt nicht. Sie lässt ihre Heldin Clara einiges durchmachen, zieht sie aber nicht in Comedy-Manier durch den Kakao, sondern nimmt sie ernst. Clara erzählt selbst, und zwar unaufgeregt, mit einer Prise Humor. Sie, Clara, ist übrigens zweiundfünfzig, ihr Ehemann, der titelgebende Werner, knapp zehn Jahre älter. Dreißig Jahre Ehe, Hausfrauen- und Frau-an-seiner-Seite-Dasein liegen hinter Clara, sie ist wie gelähmt. Anstatt sich von dem Typen, der ihr vermittelt, sie sei minderwertig, scheiden zu lassen, sitzt sie es aus. Die Villa in der Algarve ist schön, das Leben relativ ruhig. Bis Werner sie verlässt, für eine viel jüngere Urlaubsbekanntschaft. Wie der Umgang dieser Eheleute beschrieben wird, gerade die Trennungsszene, diese absolute Teilnahmslosigkeit des Mannes und die Stumpfheit der Frau, das ist schon harter Tobak. Wird aber gemildert durch die Art und Weise, wie Clara das erzählt. Und danach geht die Geschichte erst richtig los, und ich verrat‘ es schon mal: Es wird besser für Clara. Ein peinliches Buch ist das also wirklich nicht. Bloß das Cover und der Titel …