„Was ist bloß mit Gisbert los?“ von Jochen Weeber und Fariba Gholizadeh

Gisbert ist ein Giraffenkind und somit ziem­lich groß bzw. hoch, über vier Meter. Er hat vie­le Freunde, ihm geht’s gut. Bis eine neue Woche im Kindergarten damit beginnt, dass zwei klei­ne Hyänen (aus­ge­rech­net Hyänen, nun ja) hin­ter Gisberts Rücken über sei­ne brau­nen Flecken tuscheln. Und das setzt sich fort, Tag für Tag bekommt Gisbert Dinge zu hören, die ihn ver­let­zen. Und jedes Mal wird er klei­ner, die Zentimeter und bald sogar Meter pur­zeln nur so.

Was ist da los, ist Gisbert ein­fach nur emp­find­lich, wie sei­ne Freunde mei­nen? Jeden Abend fra­gen sei­ne Eltern ihn, was er hat, wie es ihm geht, aber er ant­wor­tet nur: „Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist.“ Bald ist er nur noch trau­rig und nichts macht ihm mehr Spaß, er bleibt eine Woche zu Hause, bis sei­ne Freunde ihm ein klei­nes Geschenk vors Haus stel­len. Da kann Gisbert end­lich reden, er schüt­tet sei­nen Eltern das Herz aus. Am nächs­ten Tag auf dem Spielplatz war­ten sei­ne Freunde schon auf ihn, und es gibt ein Happy End!

Die Bilder sind ein­fach gehal­ten, nicht über­la­den, die Farben sind sehr hell und freund­lich, sie fan­gen die Szenen mit dem schrump­fen­den, trau­ri­gen Gisbert mehr oder weni­ger auf. Allerdings fin­de ich eine Woche fie­se Kommentare im Kindergarten plus eine Woche trau­rig zu Hause blei­ben zu viel. Da denkt die erwach­se­ne Person, die das vor­liest, an Mobbing, und zu Mobbing scheint die Auflösung des Konflikts durch ein klei­nes Geschenk und die Freunde, die plötz­lich wie­der nett sind, nicht zu passen.

Für Kindergartenkinder ab vier Jahren, das eigent­li­che Zielpublikum, mag das anders aus­se­hen, viel­leicht neh­men sie aus dem Buch mit, dass Worte ver­let­zen kön­nen, dass Eltern immer für einen da sind (hof­fent­lich), dass nach blö­den Wochen im Kindergarten auch alles wie­der gut sein kann. Ich wür­de aber auf jeden Fall das Kind mit dem Buch nicht allein las­sen, son­dern genau beob­ach­ten, wie es auf die Geschichte reagiert, und mit ihm dar­über reden, eine Gute-Nacht-Geschichte ist es also nicht.

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Was ist bloß mit Gisbert los?
Text: Jochen Weeber, Illustrationen: Fariba Gholizadeh
24 Seiten
ab 4 Jahren
Patmos Verlag 2016
ISBN: 978–3‑8436–0701‑8
12,99 Euro

Astrid Frank: „Unsichtbare Wunden“

Leichte Kost ist die­ses Buch nicht, aber wie auch, schließ­lich geht es um Mobbing. Um Mobbing, das einen Menschen kaputt­macht, in die­sem Fall Anna. Anna bekommt zu ihrem 13. Geburtstag von ihrem Vater ein Tagebuch, und kei­ne zwei Jahre spä­ter ist sie tot. Das Buch setzt unmit­tel­bar nach Annas Tod ein, wie ihr Umfeld reagiert, wird an ihrem Vater und ihrem bes­ten Freund Anton und durch deren Augen gezeigt. Während Anton Annas Tod erst nicht fas­sen kann, aber hin­nimmt, wird Annas Vater völ­lig aus der Bahn gewor­fen und kann das Geschehene nicht akzep­tie­ren, vor allem will er um jeden Preis wis­sen, wie es dazu kom­men konnte.

Der Schlüssel dazu ist Annas Tagebuch. Nach und nach, im Wechsel von Tagebucheinträgen und Handlung im Jetzt, also in den Tagen und Wochen nach Annas Tod, erfährt man, wie Anna zum Mobbingopfer wur­de. Wie ein Mädchen mit Prinzipien, kei­ne Außenseiterin, in bzw. von ihrer Schulklasse an den Rand gedrängt und fer­tig­ge­macht wird. Wie Mobbing in der Schule aus­se­hen kann, wird deut­lich, aber nicht pla­ka­tiv geschil­dert, eins ergibt das ande­re: eine neue Mitschülerin, die Anna die bes­te Freundin strei­tig macht. Eine neue Klassenlehrerin, die Mobbing nicht erkennt, viel­leicht nicht erken­nen will, die nicht hilft, son­dern alles noch schlim­mer macht. Annas Hilflosigkeit wächst – als sie von außen kei­ne Hilfe bekommt, wird Hoffnungslosigkeit daraus.

Das Buch ist nicht ein­di­men­sio­nal, es gibt nicht den oder die Schuldigen und die ande­ren sind „nicht schul­dig“, wobei die Klassenlehrerin sehr nega­tiv rüber­kommt, eben­so die neue Mitschülerin. Aber das Mobbing-Netz, in dem Anna sich immer tie­fer ver­fängt, wird von vie­len Personen gewebt und gestärkt, und dass nie­mand ver­steht, was da abläuft, dass nie­mand Anna hilft, ist beim Lesen schon har­ter Tobak.

Die Autorin, Astrid Frank, redet nichts schön. Sie schil­dert fes­selnd und emo­tio­nal, wie ein Mädchen zum Mobbingopfer wird. Die Story hat in mei­nen Augen klei­ne Schwächen, aber die fal­len nicht wei­ter ins Gewicht. Wichtig ist, dass die Komplexität von Mobbing gezeigt wird und dass Mobbing kein Spaß ist, nie. Die Autorin sen­si­bi­li­siert mit die­sem Buch, rüt­telt auf. Deswegen ist es nicht nur eine gute Lektüre für Jugendliche, son­dern auch für Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer und natür­lich für Eltern. Gut, dass es das Buch gibt, über Mobbing darf nicht geschwie­gen werden.

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Astrid Frank: Unsichtbare Wunden
288 Seiten
ab 13 Jahren
Urachhaus 2016
ISBN: 978–3‑8251–7966‑3
15,90 Euro