Zu viele Krimis

Menschen, die auf Krimis ste­hen, viel­leicht sogar aus­schließ­lich Krimis lesen, müs­sen aktu­ell wirk­lich nicht lei­den. Krimis aller Art über­schwem­men den Büchermarkt, bekann­te Autoren, neue Autoren, eine Leiche, noch mehr Leichen, mal deut­lich Psycho, mal kla­mot­tig, mal eine Ermittlerin, mal ein Kommissar … Es dürf­te für jeden was dabei sein, das ein­zi­ge Problem ist ein Luxusproblem: Was soll man nur lesen, wel­chen Krimi kauft man sich, wel­chen leiht man aus, wel­chem schenkt man sei­ne kost­ba­re Zeit?

Wer sich schlecht ent­schei­den kann und Neuem erst mal nicht über den Weg traut, kann sich bei­zei­ten auf einem Grundstock aus­ru­hen, denn Krimis, die sich ordent­lich ver­kau­fen, sind wie die Karnickel, Jahr für Jahr steht ein neu­er Wurf im Buchladen. Man muss nur auf­pas­sen, dass man die Bände nicht dop­pelt kauft, denn Cover und Titel einer Reihe sol­len ja wie­der­erkenn­bar sein, sodass man irgend­wann den Überblick ver­liert und nicht mehr weiß, was man schon gele­sen hat. Klappentexte sind meist auch nicht hilf­reich. In der Bibliothek kann man sich mar­kie­ren las­sen, wel­che Bücher man schon hat­te, aber wenn man selbst kauft, muss man sei­nen Grips anstren­gen. Oder sich strikt nach dem Jahr der Erscheinung rich­ten und nur aktu­el­le Ausgaben kau­fen. Das kann wie­der­um dadurch tor­pe­diert wer­den, dass man­che Krimis erst als Hardcover erschei­nen und dann, ein-zwei Jahre spä­ter, als Taschenbuch.

Wie vie­le Krimireihen ver­trägt der Mensch eigent­lich? Ab wie vie­len Kommissaren hängt es einem nur noch zum Hals raus und ver­lei­det einem das gan­ze Genre? Nun ja, bei mir ist wohl noch ein biss­chen Luft, jeden­falls hol­te ich mir letz­tens einen neu­en Ermittler ins Haus: Ich mag Krimis, die ein biss­chen humo­rig, nicht gar zu bru­tal, gern auch intel­li­gent sind. Da war ich bei Andreas Föhr rich­tig, „Schwarze Piste“ hieß das Buch.

Es hat alles, was den Krimileser dau­er­haft ködert:

  • eine gute, kurz­wei­li­ge Schreibe, sprit­zi­ge Gespräche, tro­cke­nen Humor,
  • inter­es­san­te Figuren, unter ande­rem einen sym­pa­thi­schen Kommissar mit einem Spleen (ihm ist immer kalt, er zieht sei­ne Daunenjacke fast nie aus), einen Polizeiobermeister, der biss­chen kri­mi­nell ist und Mordopfer fin­det wie ande­re Leute Pilze im Wald, auch die Nebenfiguren sind lebensprall,
  • einen span­nen­den, gut durch­dach­ten Plot,
  • gründ­li­che Recherche und Rücksprache mit ech­ten Kripoleuten, bei denen sich dann im Anhang artig bedankt wird (scheint mitt­ler­wei­le Usus zu sein),
  • Lokalkolorit (in die­sem Fall Bayern, der Dialekt ist aber noch gut verständlich).

In „Schwarze Piste“ herrscht Winter. In der Dämmerung schüt­telt Polizeiobermeister Kreuthner die Asche sei­nes Onkels auf einem Berg in den Wind – und eine Frau bekommt sie direkt ran­ge­weht. Auf dem gemein­sa­men Heimweg ver­lau­fen sich Kreuthner und die Frau und sto­ßen im Wald auf einen Schneemann, der sich als Tote ent­puppt. Selbstmord oder Mord? Das ist zunächst die Frage. Bis es eine wei­te­re Leiche gibt …

Dass die Verlage auf den Seriensog set­zen und Krimireihen lie­ber haben als ein­zel­ne Krimis, ist klar. Bin mal gespannt, wo das noch hinführt.

Klüpfel und Kobr: „Schutzpatron“

Letztes Jahr bin ich Kluftinger ver­fal­len. Zuerst war das Cover, das fand ich frisch und anspre­chend. Dann klang der Klappentext nicht schlecht, also Buch aus der Bibliothek aus­ge­lie­hen und bald ange­fan­gen zu lesen. Ich weiß gar nicht  mehr, wel­ches Buch der Reihe es war – die Krimibranche macht es den Lesern ja auch schwer mit die­sen Ein-Wort-Buchtiteln. Wer soll sich denn da zurecht­fin­den, wer soll sich das mer­ken? Und es liegt nicht nur an den Titeln, dass man die Kluftinger-Bücher schnell mal ver­wech­selt, auch die Geschichten ähneln sich. Im Mittelpunkt steht Kluftinger, der Kommissar ohne Vornamen, auf der einen Seite sei­ne Familie, die Erika, der Sohn und des­sen Freundin, auch die Eltern, auf der ande­ren Seite der Job inklu­si­ve Kollegen und den „Bösen“, die es zu fin­den und auf­zu­grei­fen gilt.

Die Fälle haben mich eigent­lich nie vom Hocker geris­sen – die sind nicht lang­wei­lig geschrie­ben, aber am Laufen hält das Ganze doch der Herr Kluftinger mit sei­nem Verhalten und sei­nen Macken. Man soll­te nicht zu vie­le Kluftinger-Bücher zu dicht auf­ein­an­der lesen, sonst wird einem das schnell zu viel: die Hassliebe zu Dr. Langhammer, die Angst davor, Männern zu nah zu kom­men, die Klo‑, Ess‑, Schlaf- und ande­ren Gewohnheiten, das Sandy-Nerven usw. Was Überraschendes wird es von Kluftinger ver­mut­lich auch in Zukunft nicht geben, die bei­den Autoren Volker Klüpfel und Michael Kobr fah­ren mit ihrem Konzept ja bes­tens, erstaun­lich bis bewun­ders­wert, was sie mit ihrer Kluftinger-Welt alles auf die Beine gestellt haben, so gibt es mitt­ler­wei­le ein Kochbuch und ein Lesereisenbuch.

Im „Schutzpatron“ spielt das Essen kei­ne so gro­ße Rolle, Kluftinger hat Pech und bekommt z. B. bei einem Kurztripp nach Österreich kei­ne Wiener Leckereien vor­ge­setzt, son­dern muss bei einem Kollegen über­nach­ten, der ein Messie ist und nur ekli­ge Sachen im Kühlschrank hat. Das ist auch so über­trie­ben geschil­dert, dass es fast wie­der wahr sein muss. Der Fall selbst: eine alte, unbe­lieb­te Frau wird ermor­det, ein Kunstschatz kehrt nach Altusried (Kluftingers Heimatdorf) zurück und es gibt Hinweise, dass eine hoch­pro­fes­sio­nel­le Truppe unter Leitung des „Schutzpatrons“ ihn steh­len will, außer­dem ist Kluftingers Auto geklaut wor­den, was ihm so pein­lich ist, dass er es nie­man­dem erzählt.

Hat wie­der Spaß gemacht, das Buch zu lesen, auch wenn das Übertriebene, Karikaturhafte manch­mal doch nervt. Aber ein Mal im Jahr ist das okay und gute Unterhaltung. Natürlich wird es wei­ter­ge­hen, und Kluftinger wird irgend­wann ein­mal wie­der auf den Schutzpatron tref­fen, das ver­kli­ckern Klüpfel und Kobr den Lesern über­aus deut­lich. Na denn, bis bald!

Krimisucht und „Unschuldsengel“

Liebe C., dir habe ich es zu ver­dan­ken, dass ich ein BISSCHEN kri­misüch­tig bin. Damals, vor mitt­ler­wei­le doch recht vie­len Jahren, hast du mir immer mal Krimis aus dei­ner gro­ßen Sammlung gelie­hen. Als Köder dien­ten Henning Mankell und Donna Leon. Ja, die Namen kann­te ich natür­lich, aber gele­sen – ach, nein. Aber nun – es tum­meln sich eine gan­ze Menge Kommissare und – ähm, Ermittlerinnen in mei­nem Lesekopf, und es kom­men immer mehr dazu. Das Gemeine an Krimis ist ja, dass das meist Reihen sind, also Sogwirkung total. Der neu­es­te Zugang ist Kommissar Hermann Kappe, der sei­ne Fälle im Berlin des begin­nen­den 20. Jahrhunderts löst. (Oder doch: lös­te?) Ja, wie­der eine Reihe. Schon das neun­te Buch. Neun Bücher, neun Fälle, sie­ben Autoren. Bzw. Autorinnen. Das aktu­el­le, ganz fri­sche, hat Petra A. Bauer geschrie­ben, „Unschuldsengel“ heißt es. Wir sind bei­de im Texttreff unter­wegs, und da am Rande immer mal von dem Buch die Rede war, bin ich schließ­lich SO neu­gie­rig gewe­sen, dass ich es bestell­te. Und, ja, der Kommissar Kappe ist sehr sym­pa­thisch, die Geschichte süf­fig, und wie geht es nun wei­ter mit Hermann und sei­ner Klara? Bin mal gespannt, wer Band zehn der Reihe schreibt … ;-)