„Am Ende meiner Nerven sind noch Kinder übrig“ von Sabrina Heinke

„Am Ende mei­ner Nerven sind noch Kinder übrig“ – die­ser Titel dürf­te ziem­lich vie­le Eltern anspre­chen. Der Untertitel auch, denn der ver­heißt: „Weniger schimp­fen, weni­ger Chaos und weni­ger Stress im Familienalltag“. Wer will das nicht? Die Autorin des Ratgebers, Sabrina Heinke, bloggt auf Mamahoch2 unter ande­rem über ihre Familie und Erziehung. Sie hat drei klei­ne Kinder, und ent­spre­chend rich­tet sich das Buch pri­mär an Eltern mit Kindern im Kita- und Grundschulalter.

Es geht um die Basics im Leben mit Kindern, zum einen um die Art der Erziehung und zum andern um jede Menge ganz kon­kre­te Fragen, Probleme, Situationen. Eigentlich ist es ja krass, dass so etwas über­haupt gesagt wer­den muss, aber die Autorin betont, dass Kinder von Anfang an gut sind. Wenn sie ner­ven, schrei­en, nicht das machen, was sie sol­len, bum­meln usw., tun sie das nicht, weil sie den Eltern eins aus­wi­schen wol­len, son­dern … aus ande­ren Gründen. Und die soll­ten die Eltern her­aus­be­kom­men. Das Mantra für Eltern lau­tet: selbst ruhig blei­ben, nicht die Beherrschung ver­lie­ren. Und die Kinder so behan­deln, wie man selbst behan­delt wer­den möch­te. Das ist recht sim­pel und nicht neu, aber ich fin­de, man kann das gar nicht oft genug lesen. Eltern sein heißt, Macht über die Kinder zu haben und aus­zu­üben. Diese Macht soll­te man nicht miss­brau­chen, indem man mit zwei­er­lei Maß misst, mit einem für die Kinder und einem für sich. Also: Kind räumt Zimmer nicht auf, wird dafür bestraft. Ich als Mutter oder Vater räu­me die Küche nicht auf, natür­lich gibts kei­ne Strafe.

Keine Strafen und auf Augenhöhe, das sind Schlüsselbegriffe im Buch. Aber auch: Grenzen set­zen. Die Autorin ver­wen­det in dem Zusammenhang das Wort „Gleichwürdigkeit“. Gleichberechtigt sei­en Kinder nicht, weil sie eben noch Kinder sind und vie­les nicht wis­sen und ein­schät­zen kön­nen. Aber ihre Würde darf man ihnen nicht neh­men. Auch das ist nach­voll­zieh­bar, nicht wahr?

Wie die Autorin das in ihrer Familie umsetzt, erzählt sie anhand vie­ler kon­kre­ter Beispiele von Zähneputzen und Aufräumspiel über Medienkonsum und Menüplan bis Familienbett. Sie geht auch auf die Eltern ein, die gera­de mit klei­nen Kindern nicht ver­ges­sen soll­ten, für sich selbst zu sor­gen. Indem sie sich bei­spiels­wei­se den Familienalltag mit Dingen wie Wocheneinkauf online und lie­fern las­sen erleich­tern, aber auch Zeit für sich und als Paar reservieren.

Sabrina Heinke duzt die Leserin, den Leser, wobei ich den Eindruck hat­te, dass sie sich eher an Mütter wen­det, und auch der Klappentext des Buchs ist müt­ter­zen­triert: „Glückliche Kinder haben ent­spann­te Mütter“, heißt es da unter ande­rem. Aber: Väter kön­nen und soll­ten sich auch ange­spro­chen füh­len. Die Autorin kommt nicht dog­ma­tisch rüber, sie schreibt locker und ganz aus der Praxis. Ihre Botschaft ist, dass Erziehung auf Augenhöhe funk­tio­nie­ren und weni­ger Stress für alle bedeu­ten kann. Das liest sich gut – und dürf­te für Eltern mit klei­nen Kindern durch­aus hilf­reich sein.

Sabrina Heinke: Am Ende mei­ner Nerven sind noch Kinder übrig. Weniger schimp­fen, weni­ger Chaos und weni­ger Stress im Familienalltag
Lektorat: Ulla Nedebock
220 Seiten
2018 humboldt
ISBN 978–3‑86910–640‑3
19,99 Euro

„Wilde Weihnachten“ von Andrea Schwarz

Ein Lesebuch für die Advents- und Weihnachtszeit hat Andrea Schwarz geschrie­ben, die pas­to­ra­le Mitarbeiterin, Referentin und Bibliolog-Trainerin ist und „zu den meist­ge­le­se­nen christ­li­chen Schriftstellern unse­rer Zeit“ gehört, info­miert der Verlag über die Autorin. Ein Esel auf dem Cover und der Titel „Wilde Weihnachten“ machen ja schon neu­gie­rig, wel­che Geschichten erwar­ten die Leserin, den Leser, was ist das für ein Buch?

Vom 1. Dezember bis 6. Januar gibt es jeden Tag einen kur­zen Text und/oder ein Gedicht. Alles dreht sich natür­lich um Advent und Weihnachten, und zwar in der „unge­zähm­ten“, wil­den Version, die für die Autorin mit Gott, Jesus, Josef und Maria und der bibli­schen Weihnachtsgeschichte untrenn­bar ver­wo­ben ist. Andrea Schwarz erzählt, was sie selbst erlebt und gehört hat, zitiert und inter­pre­tiert. Es sind Geschichten aus dem Garten, dem Parkhaus, dem Gottesdienst, aktu­ell und sehr heu­tig, mal zum Nachdenken, mal zum Schmunzeln, alle­samt kurz­wei­lig und auch schön anzu­schau­en mit der lila­far­be­nen, ange­nehm gro­ßen Schrift und den ein­fa­chen Illustrationen (nicht zu ver­ges­sen das Lesebändchen).

„Wilde Weihnachten“ rich­tet sich sicher vor­nehm­lich an gläu­bi­ge Menschen, ist aber auch für Fragende, Zweifelnde, Neugierige inter­es­sant, die mal ein „ande­res“ Buch zum Advent lesen wollen.

Andrea Schwarz: Wilde Weihnachten. Das ande­re Lesebuch für die Advents- und Weihnachtszeit
122 Seiten
2018 Patmos Verlag
ISBN 978–3‑8436–1073‑5
15 Euro

„Der Detektiv von Paris“ von Walter Hansen

François Vidocq war der ers­te Detektiv über­haupt, er hat in Frankreich die ers­te Kriminalpolizei der Welt begrün­det und war ver­mut­lich auch der ers­te Privatdetektiv. Angefangen hat er aller­dings als Krimineller, er war in der Unterwelt unter­wegs, sprach die Gaunersprache Rotwelsch, lan­de­te mehr­mals im Gefängnis und schaff­te es immer wie­der, aus­zu­bre­chen. Als er die Seiten wech­sel­te und Direktor der Sûreté Nationale wur­de, wuss­te er, wie Verbrecher ticken. Vidocq wur­de 1775 gebo­ren und starb 1857, eine beweg­te Zeit in Frankreich mit der Französischen Revolution, Napoleon Bonaparte und zahl­rei­chen Kriegen. Sein Leben hat vie­le Schreibende inspi­riert, unter ande­rem Victor Hugo, Honoré de Balzac, Alexandre Dumas, Edgar Allan Poe und Charles Dickens. Und er hat selbst sei­ne Memoiren ver­fasst, 1827 wur­den sie veröffentlicht.

Walter Hansen hat über „das aben­teu­er­li­che Leben des François Vidocq“ ein Buch mit dem Titel „Der Detektiv von Paris“ geschrie­ben, emp­foh­len ist es ab zwölf Jahren. Das Cover hat Maximilian Meinzold gestal­tet, und einer­seits fin­de ich es toll und abso­lut anspre­chend. Andererseits habe ich wegen des Covers eine etwas ande­re Geschichte erwar­tet, eine, die sich zwar an Vidocqs Leben ori­en­tiert, aber mehr Roman und Fiktion als Biografie und Sachbuch ist.

Das Buch ist kurz­wei­lig und span­nend, kei­ne Frage. Aber es bleibt immer eine Distanz zur Figur und zum Menschen Vidocq, man fie­bert nicht rich­tig mit. Das liegt viel­leicht auch dar­an, dass „Der Detektiv von Paris“ erst­ma­lig 1980 erschie­nen ist. Laut Impressum hält man nun eine voll­stän­dig über­ar­bei­te­te und aktua­li­sier­te Ausgabe in der Hand, doch acht­und­drei­ßig Jahre spä­ter wäre Neuschreiben womög­lich bes­ser gewe­sen. Trotzdem soll­te man sich das Buch nicht ent­ge­hen las­sen – es scheint ziem­lich allein auf wei­ter Flur über Vidocq zu infor­mie­ren, der zumin­dest in Deutschland (so mein Empfinden) eher unbe­kannt ist, obwohl er der Begründer der Kriminalpolizei und der ers­te (Privat-)Detektiv war, obwohl sein Leben Stoff für x‑Bücher und ‑Filme böte. Vielleicht taucht er ja irgend­wann aus sei­ner Versenkung wie­der auf, und dann haben alle, die die­ses Buch gele­sen haben, schon mal einen Wissensvorsprung …

Walter Hansen: Der Detektiv von Paris. Das aben­teu­er­li­che Leben des François Vidocq
Lektorat: Emily Huggins
Umschlaggestaltung: Maximilian Meinzold
288 Seiten
ab 12 Jahren
2018 ueberreuter
ISBN: 978–3‑7641–9219‑8
14,95 Euro