Ein guter Titel ist vielleicht nicht die halbe Miete, aber auf jeden Fall wichtig. Was hat es mit „Böse Wetter“ auf sich? Im Bergbau steht „Wetter“ für die Luft im Bergwerk und „böse Wetter“ für Luft, die giftige Gase enthält. Im Buch kommen erzgebirgische Stollen (nicht die zum Essen) vor, und es liegt auch etwas Böses (Giftiges?) in der Luft. Passt somit!
BKA-Sonderermittlerin Hannah Stein aus Wiesbaden macht sich auf den Weg ins Erzgebirge, da Geocacher in einem Wald an der tschechischen Grenze eine abgetrennte Hand gefunden haben. Der Mensch zur Hand ist verschwunden, aber es steht bereits fest, dass sie einem jungen Polizeimeister aus Aue gehört hat: Was ist passiert und wo ist der Mann? Das Polizeirevier Aue übernimmt den Fall, die Leserin, der Leser folgt jedoch die ganze Zeit Kriminalhauptkommissarin Stein, die zwar im Ermittlerteam ist, aber hauptsächlich ihr eigenes Ding durchzieht. Sie scheint immer ziemlich schnell zu wissen, mit wem sie kann und mit wem nicht, und die Auer Ermittler (es sind ausschließlich Männer) schneiden eher schlecht ab, der Ermittler von tschechischer Seite, Leutnant Jakub Novák aus Prag, umso besser.
Aue also. In Aue wohnt Hannah Stein während der Ermittlung, hier hat der vermisste Polizeimeister ein Haus und es finden sich etliche Spuren. Wer sich in Aue gut auskennt, kann vergleichen, wer nicht so gut, erkennt zumindest einige Örtlichkeiten – Autorin Gesa Knolle hat sich in der Stadt offensichtlich gründlich umgeschaut und auch umgehört, Stichwort FC Erzgebirge Aue, Lokale, Joggingrunde. Sie ist Berlinerin und kennt nach Verlagsangaben die Erzgebirgsregion schon lange. Ein Blick von außen demnach, mit Interesse, aber zugleich einer gewissen Distanz, so wie Hannah Stein auftritt und zunächst rüberkommt.
Sie ist zum ersten Mal in der Region und wegen des Falls ständig auf Achse, es verschlägt sie unter anderem nach Johanngeorgenstadt, Bad Schlema und Potůčky – und wiederholt in den erzgebirgischen Wald und in Stollen. Die Autorin gibt das ein oder andere zur Vergangenheit und Familie von Hannah Stein preis, doch im Zentrum des Krimis steht ganz klar der Fall. Er streift Themen wie Crystal-Meth-Handel, Neonazis, Stasi, Wismut und wirkt dabei weder künstlich noch überladen, alles fügt sich recht plausibel, authentisch und packend zusammen. Quasi als positives Gegengewicht zu den penetranten Nazis von nebenan fungiert die Schwarze Försterin Mechthild Roth, die mit ihrer Partnerin im Forsthaus mitten im Wald lebt und Hannah Stein auch beim etwas überzogenen Showdown zur Seite steht.
Die Försterin weiß zu berichten, dass manche Tiere im Wald sich in letzter Zeit merkwürdig verhalten, eine andere Person kennt eine Geschichte von einem Mann, der verschwand und von dem nur ein Ohr gefunden wurde. Neben einem „normalen“ Fall gibt es also noch etwas, das schwer greifbar und leicht unheimlich ist, und diese Stimmung transportiert ganz gut das Buchcover mit den düsteren Bäumen und dem grellen Licht.
Wer Aue und Umgebung kennt, kann vertraute Orte entdecken und wird sich vermutlich ab und zu fragen, wie realistisch die Geschichte wohl ist. Keine Frage scheint dagegen, ob Hannah Stein nach diesem Fall weiter im Erzgebirge ermitteln wird. Das Buchende sagt: ja.
Gesa Knolle: Böse Wetter. Erzgebirge-Krimi
Lektorat: Lothar Strüh
224 Seiten
2021 emons Verlag
ISBN 978–3‑7408–1131‑0
12 Euro