„Black Box Blues“ von Ambra Durante

Das Buch ist qua­dra­tisch und schwarz wie die Box, die die jun­ge Frau, um die es geht, mit sich her­um­schleppt. Diese Box ist mal klei­ner, mal grö­ßer, sie mag für Ängste, Sorgen, end­lo­ses Grübeln ste­hen. Das Wort „Depression“ fällt auf den acht­zig Seiten nicht, es dürf­te aber der Leserin, dem Leser frü­her oder spä­ter in den Sinn kom­men. Die Bilder sind in Schwarz und Weiß gehal­ten, die Sätze dazu ein­fach und eher kurz, ein Gedankenstrom. Die Autorin fasst einen Zustand in Worte und Bilder, dem knap­pe Definitionen nicht gerecht wer­den, sie greift etli­che Facetten auf. Das Buch ist dun­kel, aber durch­setzt mit Licht, ein Hin und Her (oder Auf und Ab?), ein Ringen mit der Black Box, das hoff­nungs­voll und gut endet, so viel sei verraten.

Ambra Durante: Black Box Blues
80 Seiten
2020, Wallstein Verlag
ISBN 978–3‑8353–3816‑6
20 Euro

„Das Konsortium oder: Die ungenaue Zeit“ von Martin Gries

Marietta und Charles sind die Erzählstimmen in die­sem Buch, das in einer unbe­stimm­ten, etwas alt­mo­disch anmu­ten­den Zeit spielt. Nachrichten wer­den via Semaphoren über­mit­telt, Monotrams ver­bin­den die Orte, auch übers Meer hin­weg, und ein gigan­ti­sches Netz aus Leuchttürmen weist den Weg. Es gibt kei­ne Länder und Nationen, son­dern nur das Konsortium, das mit­tels acht Gesetzen alles am Laufen hält und alle überwacht.

Laut dem zwei­ten Gesetz gehö­ren die Sterne dem Konsortium, es ist ver­bo­ten, sie zu beob­ach­ten. Auch die Zeit gehört dem Konsortium und es ist ver­bo­ten, sie genau zu mes­sen, das ist das drit­te Gesetz. Mit einem die­ser Gesetze gerät Marietta in Konflikt, Charles mit dem ande­ren. Die bei­den haben nichts mit­ein­an­der zu tun, was sich im Laufe der Geschichte jedoch ändern wird. Sie sind bei­de auf der Flucht und zugleich auf der Suche, begeg­nen auf ihrer Reise etli­chen Menschen, man­chen nur kurz, eini­ge beglei­ten sie län­ger. Wohin ihr Weg sie führt und was das Ziel sein könn­te, ist lan­ge ungewiss.

Die Leserin, der Leser ver­folgt ein Stück ihres Erwachsenwerdens und wie sie ers­te Antworten auf Fragen fin­den wie: Was will ich, was macht mich aus, wen will ich? Das alles in einer durch­aus anspruchs­vol­len, poe­ti­schen, für ein Jugendbuch eher sel­te­nen Sprache. Die Worte haben Gewicht, sie sind nicht leicht, der Autor spielt mit ihnen, wägt sie, und manch­mal for­men sie sogar Bilder.

Die Geschichte und den Stil dürf­ten man­che anstren­gend fin­den und ande­re gera­de anspre­chend. Wenn man nach und nach erfährt, was vor dem Konsortium war, wie es ent­stand und was die acht Gesetze des Konsortiums für die Menschen bedeu­ten, blei­ben der Leserin, dem Leser Parallelen zur eige­nen, „ech­ten“ Welt wahr­schein­lich nicht ver­bor­gen. Das Buch hat also was drauf – 380 Seiten atmo­sphä­ri­scher, hin­ter­sin­ni­ger Lesestoff mit einem Ende, das zu einer neu­en Geschichte ansetzt.

Martin Gries: Das Konsortium oder: Die unge­naue Zeit
Lektorat: Emily Huggins
380 Seiten
ab 14 Jahren
2020 Ueberreuter Verlag
ISBN 978–3‑7641–7083‑7
18,95 Euro

„Bretonisch mit Meerblick“ von Gabriela Kasperski

Der Klappentext ver­spricht einen „Wohlfühlkrimi“, genau das woll­te ich gera­de und hab es auch bekom­men, ich hab das Buch in einem Rutsch gele­sen und fands scha­de, als ich fer­tig war. Es spielt in der Bretagne und da rech­net man ja fast auto­ma­tisch mit einem die­ser Kommissare, die Probleme mit den Kollegen, den Frauen, dem Essen oder allem zusam­men haben. In „Bretonisch mit Meerblick“ hat eine Frau die Hauptrolle, die kei­ne Kommissarin ist und auch sonst nichts mit der Polizei zu tun hat. Tereza Berger, Buchhändlerin, ist Mitte vier­zig, geschie­den, hat zwei erwach­se­ne Kinder und braucht Geld, sie erbt ein Haus in der Bretagne und fährt selbst hin, um es zu ver­kau­fen. Das klappt aller­dings nicht so ganz, denn das geerb­te Haus ist nicht gera­de in einem Topzustand und die Landschaft ist über­wäl­ti­gend: die Küste! Das Meer! Auch die Leute auf der Halbinsel Crozon sind ein­neh­mend, Einheimische wie Zugereiste, was einen schnel­len Abschied deut­lich erschwert.

Natürlich hat Tereza Berger nicht nur ange­neh­me Begegnungen, und irgend­wer scheint sie unbe­dingt aus dem Dorf weg­ha­ben zu wol­len. Als eine Bekanntschaft auf ein­mal tot ist und ihr ein Kommissar auf die Pelle rückt, ver­sucht sie selbst, aus den Menschen und Ereignissen schlau zu wer­den und den Mörder oder die Mörderin zu finden.

Das Grundgerüst bei Krimis ist nun mal ziem­lich gleich, es gibt min­des­tens eine Leiche und es wird ermit­telt. An Gabriela Kasperskis Krimi gefällt mir die leich­te, läs­si­ge Art. Die Geschichte ist wie die Hauptfigur: nicht gar zu ziel­stre­big, dafür sym­pa­thisch, nicht auf­dring­lich, son­dern tole­rant, neu­gie­rig, inter­es­siert, offen. Am Anfang hät­te ich Tereza Berger deut­lich älter als in den Vierzigern geschätzt, ob das so gewollt ist oder nicht, sei dahin­ge­stellt. Der erwähn­te, ermit­teln­de Kommissar ist lei­der ein eher ste­reo­ty­per von wegen ein­sa­mer, geheim­nis­vol­ler Wolf mit ver­mut­lich zar­ter Seele, aber dar­über lässt sich hin­weg­se­hen, weil es zahl­rei­che ande­re Nebenfiguren gibt, die gut ent­wor­fen und in die Story ein­ge­webt sind. Die und das Drumherum haben mir eigent­lich am meis­ten Spaß gemacht, zusam­men mit Tereza Bergers neu­er und alter Geschichte, die sich Stück für Stück offen­bart und noch Stoff für Folgebände bie­tet, die offen­sicht­lich geplant sind. Gut so, denn die wür­de ich ger­ne lesen.

Gabriela Kasperski: Bretonisch mit Meerblick. Kriminalroman
Lektorat: Susann Säuberlich
256 Seiten
2020 Emons Verlag
ISBN 978–3‑7408–0796‑2
12 Euro