Marietta und Charles sind die Erzählstimmen in diesem Buch, das in einer unbestimmten, etwas altmodisch anmutenden Zeit spielt. Nachrichten werden via Semaphoren übermittelt, Monotrams verbinden die Orte, auch übers Meer hinweg, und ein gigantisches Netz aus Leuchttürmen weist den Weg. Es gibt keine Länder und Nationen, sondern nur das Konsortium, das mittels acht Gesetzen alles am Laufen hält und alle überwacht.
Laut dem zweiten Gesetz gehören die Sterne dem Konsortium, es ist verboten, sie zu beobachten. Auch die Zeit gehört dem Konsortium und es ist verboten, sie genau zu messen, das ist das dritte Gesetz. Mit einem dieser Gesetze gerät Marietta in Konflikt, Charles mit dem anderen. Die beiden haben nichts miteinander zu tun, was sich im Laufe der Geschichte jedoch ändern wird. Sie sind beide auf der Flucht und zugleich auf der Suche, begegnen auf ihrer Reise etlichen Menschen, manchen nur kurz, einige begleiten sie länger. Wohin ihr Weg sie führt und was das Ziel sein könnte, ist lange ungewiss.
Die Leserin, der Leser verfolgt ein Stück ihres Erwachsenwerdens und wie sie erste Antworten auf Fragen finden wie: Was will ich, was macht mich aus, wen will ich? Das alles in einer durchaus anspruchsvollen, poetischen, für ein Jugendbuch eher seltenen Sprache. Die Worte haben Gewicht, sie sind nicht leicht, der Autor spielt mit ihnen, wägt sie, und manchmal formen sie sogar Bilder.
Die Geschichte und den Stil dürften manche anstrengend finden und andere gerade ansprechend. Wenn man nach und nach erfährt, was vor dem Konsortium war, wie es entstand und was die acht Gesetze des Konsortiums für die Menschen bedeuten, bleiben der Leserin, dem Leser Parallelen zur eigenen, „echten“ Welt wahrscheinlich nicht verborgen. Das Buch hat also was drauf – 380 Seiten atmosphärischer, hintersinniger Lesestoff mit einem Ende, das zu einer neuen Geschichte ansetzt.
Martin Gries: Das Konsortium oder: Die ungenaue Zeit
Lektorat: Emily Huggins
380 Seiten
ab 14 Jahren
2020 Ueberreuter Verlag
ISBN 978–3‑7641–7083‑7
18,95 Euro