„Eine Leiche zum Tee“ von Alexandra Fischer-Hunold

„Eine Leiche zum Tee“ spielt in guter alter Krimimanier in England, im Dorf Ashford-on-Sea. Hier lebt Amy bei ihrer vier­und­sieb­zig­jäh­ri­gen Großtante Clarissa, die mal Lehrerin war und nun den Little Treasures Tearoom betreibt. Bei der Fünfhundertjahrfeier des Ortes sind die bei­den für den Kuchenstand zustän­dig, aber vor allem will Amy bei der Gelegenheit end­lich Finn anspre­chen, in den sie unheim­lich ver­liebt ist.

Dummerweise kommt ihr ihre Klavierlehrerin dazwi­schen: Rubinia Redcliff wird am Strand tot auf­ge­fun­den. Ein Unfall, ist der Dorf-Sergeant über­zeugt, ein Mord, glaubt dage­gen Tante Clarissa, die ein Faible für Krimis hat und seit ihrer Pensionierung die Anlaufstelle im Dorf ist, wenn etwas geklaut wur­de oder sonst­wie ermit­telt wer­den muss. Sie legt also sofort los, und aus­nahms­wei­se ist Amy mit von der Partie, da Finn irgend­wie in der Sache drin­zu­hän­gen scheint.

Auf 320 Seiten webt die Autorin ein Netz aus Verdächtigungen und Verdächtigen, fast jede und jeder im Dorf hat­te mit Rubinia Redcliff zu tun, die zwar berühmt, aber nicht gera­de beliebt war. Viel Arbeit für Amy, die güns­ti­ger­wei­se Sommerferien hat und ihre Rolle als Detektivin immer span­nen­der fin­det. Stets an ihrer Seite ist Percy, ein Irish Terrier, und ziem­lich oft auch Finn …

Die Geschichte wirkt ein biss­chen aus der Zeit gefal­len, obwohl sie im Jetzt spielt, mit Handys und WhatsApp. Vielleicht weil es ein eng­li­sches Dorf ist, inklu­si­ve herr­schaft­li­chem Anwesen sowie Lady und Lord Ashford, viel­leicht weil es eine recht hei­le, über­schau­ba­re Buchwelt ist, wie in Kinderkrimiklassikern von Enid Blyton, viel­leicht auch, weil Amy eine Spur zu hef­tig und irgend­wie alt­mo­disch für Finn schwärmt. Macht aber nichts, denn der klei­ne eng­li­sche Dorfkosmos ist wit­zig und kurz­wei­lig beschrie­ben und die Suche nach Täter oder Täterin nicht so gerad­li­nig, wie es zunächst erscheint.

Alexandra Fischer-Hunold: Eine Leiche zum Tee
Lektorat: Emily Huggins
320 Seiten
ab 12 Jahren
2019 ueberreuter
ISBN 378–3‑7641–7082‑0
14,95 Euro

„Wenn wir nach den Sternen greifen“ von Kathleen Weise

Der Countdown läuft: Ianthe hat eine Woche Zeit, sich von ihrem Vater zu ver­ab­schie­den, der in drei Wochen zum Mars flie­gen wird – eine Woche Abschiednehmen mit der Familie, zwei Wochen Quarantäne. Das Buch spielt im Jahr 2039, also in einer rela­tiv nahen Zukunft. Sie erscheint einem sehr ver­traut, so könn­te es sein, wenn alles mehr oder weni­ger genau­so wei­ter­geht wie bis­her: Probleme unse­rer Zeit haben sich noch ver­grö­ßert, so der Klimawandel und die Kluft zwi­schen Arm und Reich. Technisches wur­de wei­ter­ent­wi­ckelt und ver­bes­sert, dafür hat sich die Autorin Namen aus­ge­dacht, die ganz authen­tisch klin­gen, wie „Magmag“ („meist­ver­kauf­tes Smartphone der Welt ab 2031 im Bereich Wearables“) und „Silver Orb“ („trag­ba­res Soundsystem, seit 2036 Marktführer“). Fake News gibts nach wie vor in Massen und des­we­gen auch immer mehr „Quellenprüfer“ („in Deutschland seit 2023 aner­kann­ter Studiengang“), und die „First-Mother-Bewegung“ will die Raumfahrt abschaf­fen und dass das Geld statt­des­sen in die Erde inves­tiert wird.

Es passt natür­lich, dass im Jahr 2019 die­ses Buch erscheint, das den Start der ers­ten bemann­ten Mars-Mission im Jahr 2039 ansie­delt, denn am 21. Juli 1969 betra­ten Neil Armstrong und Buzz Aldrin im Rahmen der Mission Apollo 11 als ers­te Menschen den Mond. „Wenn wir nach den Sternen grei­fen“ beginnt drei Wochen vor und endet mit dem Start der Rakete, im Mittelpunkt steht das Abschiednehmen – wie die 17-jäh­ri­ge Ianthe, ihre jün­ge­re Schwester Sanja, ihre Mutter und der Vater damit umge­hen. Drei Jahre dau­ert die Mission im All, falls etwas schief­läuft, ist es ein Abschied für immer.

Von der Welt „außen“ bekommt man im Buch fast nichts mit, Ianthe und ihre Familie ver­brin­gen die Zeit bis zum Start der Mars-Mission auf einem abge­schot­te­ten, schwer bewach­ten Gelände in Florida in der Nähe des Kennedy Space Center, eben­so wie die Familien der ande­ren Astronauten. Sie sind viel am Strand, gehen ins Kino und essen, leben wie unter einer Glocke, die alles abdämpft, auch das ein oder ande­re Ereignis, das die Ruhe eigent­lich emp­find­lich stö­ren soll­te. Ianthe muss zudem ent­schei­den, wie es nach dem Start für sie wei­ter­ge­hen soll. Sie macht erfolg­reich Musik und hat ein Angebot von einem Musiklabel, müss­te aber von Mutter und Schwester weg­zie­hen, wenn sie es annimmt …

„Wenn wir nach den Sternen grei­fen“ ist gekonnt und flüs­sig geschrie­ben, die 220 Seiten lesen sich schnell. Geschichte und Figuren blei­ben etwas an der Oberfläche, viel­leicht hät­ten sie mehr Platz bzw. Seiten zum Entfalten gebraucht. Bei dem Stoff wäre pro­blem­los eine dra­ma­ti­sche­re Story zum Mitfiebern mög­lich gewe­sen – so ist es ein eher ruhi­ges Feel-Good-Buch, das den­noch fes­selt. Nicht zu ver­ges­sen das schö­ne Cover mit dem Mädchen, das in den Himmel und zu den Sternen schaut: Nicht nur ihr Vater, auch sie greift danach.

Kathleen Weise: Wenn wir nach den Sternen greifen
Lektorat: Angela Iacenda
220 Seiten
ab 14 Jahren
2019 ueberreuter
ISBN 978–3‑7641–7093‑6
16,95 Euro

„Liebe geht durch den Garten“ von Ulrike Hartmann

Der Titel passt schon mal, Liebe und Garten sind die zwei gro­ßen Themen in Ulrike Hartmanns Roman über Anna, die seit mehr als drei Jahren geschie­den ist, zwei Söhne hat und ihr Geld als Kinderbuchillustratorin ver­dient. Hals über Kopf pach­tet sie vor den Sommerferien einen Garten in einem Kleingartenverein. Ihr Traumgarten ist etwas ver­wil­dert und die Laube hat ein frag­wür­di­ges Innenleben, aber mit­hil­fe von Mitgärtnerinnen und ‑gärt­nern wird schnell eine Oase draus, in die sie vor den Bauarbeiten in ihrem Mietshaus flüch­ten kann.

Eine beson­ders gro­ße Hilfe beim Aufräumen und Hübschmachen des Gartens ist Paul, der gut aus­sieht, sich nett gibt, aber nichts von sich erzählt. Auch nicht, wie er zu Sabine steht, die den Garten gegen­über von Anna hat und Paul stän­dig in Beschlag nimmt, was Anna mehr und mehr wurmt. Also Anna gegen Sabine, um Paul? Im Prinzip schon, Anna unter­nimmt so eini­ges, um Zeit mit Paul ver­brin­gen zu kön­nen und ihm zu gefal­len. Paul kommt aller­dings nicht so rich­tig aus dem Knick, und letzt­end­lich ist Anna nicht bereit, sich für ihn zum Affen zu machen, eine Botschaft, die ich gut fin­de: Frau muss nicht sonst­was tun, um einen Mann sozu­sa­gen rum­zu­krie­gen, der Mann soll­te schon auch den Hintern hochkriegen.

Überhaupt ist Anna abso­lut sym­pa­thisch ange­legt, vie­le Leserinnen kön­nen sich ver­mut­lich gut mit ihr iden­ti­fi­zie­ren, und der Figurenkosmos um sie her­um ist sehr ein­la­dend, von den Söhnen und der ver­wit­we­ten Mutter über die bes­te Freundin und die Vermieterin bis zu den Leuten im Kleingartenverein. Alle sind sehr zuge­wandt mit klei­nen Fehlern, neu­tral bis rich­tig fies ist nie­mand, nicht mal Annas Ex-Mann. Mir ist das fast eine Spur zu har­mo­nisch, und wer ein Feuerwerk der Gefühle und Drama sucht, wird es in „Liebe geht durch den Garten“ nicht fin­den, die Autorin schlägt eher ruhi­ge Töne an, egal ob es um Elternsein, Liebe, Nachbarschaft oder Freundschaft geht. Wäre das Buch ein Gericht, wür­de ich sagen: Die Zutaten stim­men, die Zubereitung auch, das Ergebnis schmeckt. Ein biss­chen gefehlt hat mir eine Prise Unberechenbarkeit, Originalität, aber eher im Rückblick als wäh­rend des Lesens. Denn Fakt ist, dass das Buch sich schwer weg­le­gen lässt und die 320 Seiten sich lesen wie nichts. Ein ech­ter Wohlfühlroman, hell und ein­la­dend wie das schö­ne Cover.

Ulrike Hartmann: Liebe geht durch den Garten
320 Seiten
2019 Diana Verlag
ISBN 978–3‑453–35991‑8
9,99 Euro