„Der Lügenbaum“ von Frances Hardinge

England, 19. Jahrhundert. Faiths Familie ver­lässt über­stürzt das Zuhause in Kent und reist zur Insel Vane, wo der Vater an einer Fossilienausgrabung teil­neh­men wird. Faith hat das Gefühl, sie wären auf der Flucht, doch Genaues weiß sie nicht, da ihre Eltern ihr nichts sagen. Ihre Eltern, das sind Reverend Erasmus Sunderly, der auch Naturwissenschaftler ist, und zwar Paläontologe, und Myrtle Sunderly, deren Job es ist, ihrem Ehemann den Rücken frei­zu­hal­ten, sie ist für die Kinder, den Haushalt, die Dienstboten zuständig.

Eine Zukunft wie ihre Mutter will die 14-jäh­ri­ge Faith nicht, sie inter­es­siert sich für die Forschungen ihres Vaters, assis­tiert ihm und sam­melt über­haupt Wissen. Ihr Vater scheint sie einer­seits zu unter­stüt­zen, ande­rer­seits ver­weist er sie in ihre Schranken. Die Schranken, die die­se Zeit den Mädchen und Frauen zuweist, sind für Faith immer gegen­wär­tig, egal was sie denkt und tut. Doch sie ist nicht nur intel­li­gent und neu­gie­rig, son­dern auch vor­sich­tig – dann, wenn sie die Schranken überwindet.

Und das muss sie in der Geschichte, in die sie ver­wi­ckelt wird, öfter, denn bei der Ausgrabung auf Vane pas­siert erst ein Unfall und dann ein Mord. Das Opfer ist Faiths Vater, und zunächst weist alles auf Selbstmord hin, eine Sünde in jener Zeit, mit schlim­men Folgen für die Familie. Doch Faiths Vater benahm sich auf Vane selt­sam und auch ande­re Dinge fie­len und fal­len Faith auf, dar­un­ter ein Forschungsobjekt ihres Vaters, der Lügenbaum. Eine licht­scheue Pflanze, die zu wach­sen scheint, wenn man sie mit Lügen füt­tert. Faith will die Wahrheit über den Tod ihres Vaters her­aus­fin­den und nimmt den Baum zuhil­fe – doch damit und mit ihren Nachforschungen bringt sie sich selbst in gro­ße Gefahr …

Dicht gewebt und ein biss­chen düs­ter ist die­ses Buch von Frances Hardinge. Die Personen, deren Beziehungen und die Handlung sind kom­plex, es gibt kei­ne simp­len Antworten. Faith bewun­dert ihren Vater und will als Wissenschaftlerin in sei­ne Fußstapfen tre­ten. Doch Reverend Sunderly steht in Verdacht, bei sei­nen Forschungen betro­gen zu haben – Verleumdung oder nicht? Auf ihre Mutter schaut Faith eher her­ab, aber ist Myrtle Sunderly wirk­lich ein­fach gestrickt und nur auf ihren Vorteil bedacht? Aus einer Fülle von Jugendbüchern, die gut unter­hal­ten, aber eher flach blei­ben, sticht „Der Lügenbaum“ ganz klar her­aus. Weil er die­se ver­gan­ge­ne Zeit nicht nur schil­dert, son­dern auf­le­ben lässt. Weil sei­ne Heldin, Faith, mit ihrer Vielschichtigkeit fes­selt. Und nicht zuletzt: weil das Buch so span­nend ist.

Frances Hardinge: Der Lügenbaum
Aus dem Englischen von Alexandra Ernst
Umschlagillustration: James Fraser
440 Seiten
ab 14 Jahren
Verlag Freies Geistesleben 2017
ISBN: 978–3‑7725–2798‑2
22 Euro

Freibier

Neulich kam mal wie­der eine rie­si­ge Mail an, drei Fotos nur, aber in Plakatqualität, min­des­tens. Eins die­ser Fotos woll­te ich unbe­dingt im Blog haben, und ja, ich darf. Danke, Matthias! Ist irgend­wo an der Grenze zwi­schen England und Schottland aufgenommen.

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Free wifi, gre­at Beer. Halleluja!