Ich habe Petra Buschs Debütroman „Schweig still, mein Kind“ gelesen und bin – überzeugt. Ja, dieses Buch ist gut, es ist ein Krimi, den ich empfehle. Ich habe ihn in einem Rutsch gelesen, zum Glück war Sonntag …
Ein 500-Seelen-Dorf im Schwarzwald. Das pure Idyll, so scheint es. Dann liegt in der nahen Rabenschlucht eine tote Schwangere. Sie war gerade erst nach zehn Jahren in ihre Heimat zurückgekehrt. Hauptkommissar Ehrlinspiel nimmt die Ermittlungen auf – und stößt auf mehr als ein düsteres Dorfgeheimnis. Und eine zweite Leiche … (Quelle)
Ein paar Worte zum Buch:
Der Kommissar
Nicht alt, nicht krank, nicht übermäßig desillusioniert. Eine Wohltat nach all den kurzatmigen, alten, einsamen Ermittlern, von denen ich in letzter Zeit gelesen habe. Ehrlinspiel, dessen Vorname mir entfallen ist, aber das ist ja typisch bei Ermittlern, dass man sich nur ihren Nachnamen merkt, erinnert mich ein wenig an Commissario Brunetti: Hübscher Typ, Erfolg bei den Frauen, was im Kopf, ein Genießer. Im Gegensatz zu Brunetti hat Ehrlinspiel allerdings noch nicht die Frau seines Lebens gefunden, und Kinder hat er (nehme ich jedenfalls an) erst recht nicht. Karrieretyp, aber nicht so, dass es unsympathisch wäre. Eine Vergangenheit hat er auch, aber er schaut vor allem nach vorn. (Ach so. Moritz heißt er. Ist Jahrgang 1972. Katzenliebhaber und Hobbyfotograf.)
Die Frau
Journalistin, Redakteurin, keine Landpomeranze, nicht auf den Mund gefallen, weiß, wie sie an Informationen kommt.
Der Rechtsmediziner
Arrogant und abgebrüht, macht einen guten Job, zeigt Mitgefühl nur ausnahmweise, kein Privatleben, von dem jemand etwas wüsste, Interesse für Savants.
Der Außenseiter
Für diese Rolle gibt es im Buch einige Kandidaten, aber einer lebt gar in einer anderen Welt. Ein Zufall, dass ich vor einiger Zeit Mark Haddons „Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone“ gelesen habe, in der ein autistischer Junge die Hauptrolle spielt. Es ist faszinierend, wie unterschiedlich Autoren das Kopf- und Gefühlsleben von Autisten in Worte fassen.
Das Dorf
Im Schwarzwald, bei Freiburg, eine Dorfkneipe, alle verwandt oder verschwägert, Aberglaube ist hier nicht nur ein Wort.
Die Sprache
Petra Busch ist Autorin und Lektorin. Man muss nur mal auf ihrer Website reinlesen, um mitzubekommen, dass hier jemand die Sprache im Griff hat und mit ihr manchmal sogar zaubern kann. Ihr Krimi liest sich flüssig, die Sprache wirkt natürlich, sie passt zu den Personen, auch für den Außenseiter, siehe oben, findet sie Worte, die sich richtig anfühlen.
Die Geschichte
Geradlinig, alle Fäden führen zusammen, Aufklärungsquote von 100 %. Keine Sackgassen. Die Vergangenheit könnte bisschen farbiger sein, zwei einschneidende Erlebnisse im Leben von dem Kommissar und der Frau bleiben etwas blass.
Die Schmankerl
Ich finde es nett, wenn ich in Büchern Dinge erfahre, die ich nicht unbedingt wissen muss, die man aber ruhig wissen kann. Ob es nun um ungewöhnliche Arten der Beerdigung geht, den Grund für den ‚Geruch des Alters‘ oder Katzenfutter-Gourmetrezepte…
Das Fazit
Ein süffiger Krimi, der sich wegliest wie nichts. Es besteht akute Gefahr, am nächsten Morgen unausgeschlafen zu sein, weil man in der Nacht nicht aufhören konnte zu lesen. „Schweig still, mein Kind“ ist kein Mankell, kein Nesser, um nur mal zwei zu nennen, und das ist gut, denn Krimis müssen nicht immer ausufernd und gar zu dunkel sein. Punkt.
Und weil mir mal wieder danach war, habe ich Petra Busch noch fünf Fragen zu ihrem Buch gestellt:
1. Was war zuerst da: die Handlung, der Kommissar, ein Thema, ein Ort?
Eine Stimmung. Ein kleines Dorf, abgeschieden, November, Nebel, ein paar skurrile Gestalten. Das hat sich dann nach und nach zu einer Geschichte und Handlung konkretisiert. Das Dorf ist sozusagen bevölkert worden mit Menschen und Schicksalen.
2. Wie ’steinig‘ war der Weg von der Buchidee bis zum gedruckten Buch?
Der Anfang war recht eben. Ich habe das Projekt in ein Exposee gepackt und nur wenige Wochen darauf lagen drei Vertragsangebote auf meinem Tisch. Die Strecke von unterschriebenen Vertrag zum fertigen Manuskript ist dann aber nicht nur ein Spaziergang gewesen. Es stecken viel Arbeit und Disziplin in einem Roman. Es ist ja keineswegs so, dass man sich hinsetzt und von irgendwoher inspiriert wird. Jeder Tag bedeutet: hinsetzen und arbeiten. Am Plot und den Figuren feilen – und vor allem schreiben. Während dieses Prozesses entstehen weitere, neue Ideen für das Buch. Es wächst beim kontinuierlichen Tun – wird Schritt für Schritt ein Ganzes.
3. Wie wichtig waren Dir die Namen der Personen?
Namen sind ganz wichtig. Sie lösen Assoziationen aus, verraten Herkunft, Kultur und Traditionen, haben oft symbolische Bedeutung. Eine Catarina ist keine Susi, ein Sören kein Heinrich. Auch der Klang (hart, weich, ein- oder mehrsilbig) beeinflusst uns. Namen sind ein wunderbares Mittel zur Personencharakterisierung.
4. Warum ein Kommissar und keine Kommissarin?
Das war eine Bauchentscheidung. Vielleicht, weil ich gute Freunde (männliche) bei der Kripo habe und einen Riesenrespekt vor deren Arbeit (vor der der Kolleginnen natürlich genauso!). Ich könnte mir aber ebensogut eine Kommissarin für meine Bücher vorstellen.
5. Welche Krimiautorinnen und ‑autoren haben Dich beeinflusst?
Alle, die die 74 Meter Krimi-Regale bei mir füllen :)
Vielen Dank, Petra, für die Antworten!
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Petra Busch: Schweig still, mein Kind
Knaur, September 2010
447 Seiten
8,99 Euro
ISBN: 978–3‑426–50557‑1