Corinna Wieja: Kinderbücher schreiben

Corinna Wiejas Kinderkrimi „Detective Invisible“ habe ich neu­lich rezen­siert. Nun habe ich ihr noch etli­che Fragen zum Schreiben von Kinderbüchern gestellt: woher ihre Ideen kom­men, wie sie einen Verlag gefun­den hat, wel­che Rolle das Lektorat für sie spielt usw.
1001 Dank fürs Beantworten mei­ner Fragen – und los geht’s:

Arbeitest du aus­schließ­lich als Autorin?
Nein, ich über­set­ze auch Bücher, TV-Werbespots und Marketingbroschüren. Schreiben und Übersetzen machen mir glei­cher­ma­ßen rie­sig Spaß, weil es sehr abwechs­lungs­reich ist und ich ger­ne in Text- und Geschichtenwelten eintauche.

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Geschichten habe ich mir eigent­lich schon immer ger­ne aus­ge­dacht. Ich habe auch immer gern gele­sen. Meistens waren die Bücher schnel­ler aus­ge­le­sen als mir lieb war und des­halb habe ich irgend­wann auch ange­fan­gen, mei­ne eige­nen Geschichten auf­zu­schrei­ben. Später habe ich mir dann abends beim Zubettgehen Geschichten für mei­ne Kinder aus­ge­dacht. Meine Kinder sind heu­te noch mei­ne wich­tigs­ten Kritiker mei­ner Geschichten.

Besuchst du Schreibkurse, Workshops, bist du in Schreibforen unter­wegs, hast du eine Schreibgruppe?
Ja, ja, jein und ja. Ohne mei­ne Schreibgruppe, die Löwenherzmädels, drei befreun­de­te Autorinnen, könn­te ich mir das Schreiben heu­te gar nicht mehr vor­stel­len. Ich habe sie bei einem Exposé-Workshop ken­nen­ge­lernt. Sie lesen mei­ne Texte mit Adlerblick und zei­gen mir unge­schönt sämt­li­che Schwächen auf, die ich über­se­hen habe. Ihre Meinung zu mei­nen Geschichten ist mir sehr wich­tig. Schreibkurse besu­che ich eher sel­ten, aber doch immer wie­der mal, um an mei­nen Schwächen zu arbei­ten und von erfah­re­nen Autoren zu ler­nen. In einem Schreibforum bin ich eigent­lich nicht unter­wegs, aber in einem Forum für Kinderbuchautoren, der Schreibwelt. Dort kann ich mich eben­falls mit ande­ren AutorInnen austauschen.

Für wen schreibst du?
Ehrlich gesagt in ers­ter Linie für mich ;-). Ich schrei­be Geschichten auf, die ein­fach so in mei­nem Kopf auf­tau­chen, weil sie sich sonst dort ein­nis­ten und ich immer­zu dran den­ken muss. In zwei­ter Linie für mei­ne Kinder und alle ande­ren Kinder, weil ich hof­fe, dass ich mit mei­nen Geschichten den einen oder die ande­re zum Lachen brin­gen kann.

Welche Bücher schreibst du am liebsten?
Lustige Bücher, aber span­nend müs­sen sie auch sein. Und ich mag Geister.

Was ist von einem Buch zuerst da: eine Figur, die Handlung, eine Szene oder?
Das ist ganz unter­schied­lich. Bei mei­nem Kinderkrimi „Kommissar Unsichtbar“ ist die Idee zur Figur eines Geister-Detektivs ganz plötz­lich auf­ge­taucht, als ich in der Badewanne gele­gen bin. Da stand er mir bild­lich mit sei­nen gestreif­ten Hosen und dem Monokel vor Augen und ich habe die Handlung um ihn her­um­ge­strickt. Bei Amanda aus „Dschinntastisch“ war es ganz ähn­lich. Ich hab sie vor mir gese­hen, wie sie mit ihrem Fuß auf­stampft und „Ich will aber kei­ne blö­den Wünsche erfül­len!“, schreit. Bei ande­ren Geschichten schoss mir zuerst ein Satz oder eine Situation durch den Kopf und dann erst kamen die Figuren dazu.

Woher kom­men dei­ne Ideen?
Auch das ist ganz unter­schied­lich. Ein Wort kann ein Auslöser sein oder eine Idee kommt durch die „Was-wäre-wenn-Frage“. Manchmal habe ich beim Spazierengehen oder Putzen plötz­lich eine Situation vor Augen, die es wei­ter­zu­spin­nen lohnt. Aber nicht jede Idee taugt auch für ein Buch.

Wie lan­ge dau­ert es, ein Buch zu schreiben?
Das lässt sich schwer sagen, weil ich die Buchidee erst ein­mal eine gan­ze Weile im Kopf hin und her wen­de, bis ich die Geschichte qua­si wie einen Film vor mei­nem inne­ren Auge ablau­fen las­sen kann. Auch vor dem Überarbeiten las­se ich den Text immer eine Weile „lie­gen und rei­fen“, um einen  fri­schen Blick zu bekom­men und zu sehen, ob der Text har­mo­nisch und flüs­sig klingt . Für „Kommissar Unsichtbar“ habe ich meh­re­re Monate gebraucht. Ich habe immer wie­der über­ar­bei­tet und neu gefeilt. Ich den­ke, im Schnitt brau­che ich von der Idee bis zum fer­ti­gen Buch etwa drei Monate. So lang sind mei­ne Geschichten ja nicht, meis­tens so etwa 120 bis 150 Seiten. Bei kür­ze­ren Geschichten geht’s schon auch schnel­ler. Kurzgeschichten schrei­be ich schon auch mal an einem Tag, wenn ich sie erst mal im Kopfkino klar vor Augen habe. Das Vorlesebuch, das im Juni von mir erschei­nen wird, habe ich inner­halb weni­ger Wochen geschrie­ben und wie­der überarbeitet.

Hast du bestimm­te Schreibgewohnheiten?
Ja, ich ver­su­che, das Schreiben fest in mei­nen Tag ein­zu­pla­nen. Meistens fan­ge ich den Tag mit mei­nen Schreibprojekten an und arbei­te eine bis zwei Stunden dar­an, ehe ich die Übersetzungsaufträge bear­bei­te. Das klappt nicht immer, manch­mal gibt es eili­ge Übersetzungsprojekte oder der Abgabetermin für eine Buchübersetzung steht an. Dann stel­le ich mei­ne eige­nen Projekte hin­ten­an und ver­su­che abends noch ein wenig zu schrei­ben. Auch am Wochenende schrei­be ich ger­ne. Zum Schreiben sit­ze ich eigent­lich so gut wie immer an mei­nem Schreibtisch im Arbeitszimmer mit einer Tasse Kaffee und einem Teller Keksen in Reichweite. Zum Überarbeiten gehe ich aber gern in die Küche oder ins Wohnzimmer, weil ich fest­ge­stellt habe, dass ein Ortswechsel auch mei­nen Blick für Fehler schärft.

Wie hast du dei­nen ers­ten Verlag gefunden?
Ich bin sehr begeis­tert vom Langenscheidt-Konzept, in Kinderbüchern eng­li­sche Dialoge mit deut­schem Text zu kom­bi­nie­ren, weil man so qua­si neben­bei sei­nen Wortschatz ver­tie­fen kann. Außerdem ver­bin­det es auf wun­der­ba­re Weise mei­ne bei­den Traumberufe, das Schreiben und Übersetzen. Also habe ich mich ent­schlos­sen, „Kommissar Unsichtbar“  auf Deutsch und Englisch zu schrei­ben. Dann habe ich das Manuskript ein­fach an den Langenscheidt Verlag geschickt und prompt Antwort vom Lektorat erhal­ten. Das war wirk­lich ein Glücksfall, dass Langenscheidt gera­de eine sol­che Idee such­te. Normalerweise braucht man schon sehr viel Geduld und ein dickes Fell, um ein Buch an den Verlag zu brin­gen. Es gibt sehr vie­le tol­le Ideen und Autoren, aber im Vergleich dazu eben auch nur begrenzt Programmplätze in den Verlagen. Inzwischen habe ich eine Agentin, die mei­ne Ideen und Manuskripte an die Verlage vermittelt.

Was war dein ers­tes Buch?
„Detective Invisible – Kommissar Unsichtbar“ im Langenscheidt Verlag. Vorher habe ich aller­dings schon meh­re­re Gute-Nacht-Geschichten in ver­schie­de­nen Anthologien veröffentlicht.

Welche Rolle spielt für dich das Lektorat bzw. der Lektor?
Eine gro­ße Rolle. Der Lektor oder die Lektorin lesen das Manuskript ganz unvor­ein­ge­nom­men und mit fri­schem Blick. Wenn ein Buch das Lektorat über­zeugt hat, ist das für mich noch ein­mal ein gro­ßes Kompliment und ein wei­te­res Qualitätskriterium, denn dann hat es nach mei­nen Kindern, mei­nem Mann und mei­nen Löwenherzmädels eine wei­te­re gro­ße Hürde genom­men. Und es ist ein schö­nes Gefühl, wenn man ande­re von und mit sei­nen Ideen begeis­tern kann. Außerdem erhal­te ich durch das Lektorat auch Anregungen, die das Buch noch bes­ser machen und mir auch hilf­reich für mei­ne zukünf­ti­ge Arbeit sind.

Wie stellst du dir den „idea­len Lektor“ vor?
Ich habe bis jetzt nur mit idea­len Lektorinnen zusam­men­ge­ar­bei­tet :-). Sie geben mir kon­struk­ti­ve Kritik, sind Feuer und Flamme für mei­ne Geschichten, behal­ten den Blick für das Wesentliche, und wenn sie in den Text ein­grei­fen, dann so ein­fühl­sam, dass mein Schreibstil und auch die Botschaft, die ich ger­ne mit dem Buch ver­mit­teln will, gewahrt bleibt, und das Buch wirk­lich nur bes­ser dadurch wird.

Was ist dein aktu­el­les Buch?
Mein aktu­el­les Buch ist „Detective Invisible – Kommissar Unsichtbar“. Im Februar kam die Anthologie „Meine schöns­ten Gute-Nacht-Geschichten für 3, 5 und 10 Minuten“ im Compact Verlag her­aus, für das ich gemein­sam mit mei­ner net­ten Kollegin Julia Breitenöder die Geschichten bei­gesteu­ert habe. Voraussichtlich im Juni wird ein wei­te­res Vorlesebuch von mir erscheinen.

An wel­chem Buch schreibst du gerade?
Gerade fer­tig­ge­stellt habe ich die Überarbeitung von „Dschinntastisch – das Mädchen aus der gel­ben Tasche“. Die Idee hat kürz­lich bei einem Ideenwettbewerb gewon­nen. Jetzt hof­fe ich, dass bald ein gedruck­tes Buch dar­aus wird. Außerdem schrei­be ich der­zeit an einem Buch für Mädchen ab 10, bei dem die Heldin von einem Fettnäpfchen ins nächs­te stol­pert, und habe viel Spaß dabei. Und meh­re­re Ideen war­ten in der Schublade auf Ausarbeitung.

Machst du für dei­ne Bücher Werbung, wenn ja, wie?
Hm, ich schrei­be auf Twitter und Facebook und in mei­nen Netzwerken, wenn ein neu­es Buch von mir erscheint. Ansonsten ste­he ich für Lesungen zur Verfügung. Und ich freue mich auch immer, wenn eins mei­ner Bücher in Blogs oder in Buchshops rezen­siert wird.

Kannst du dir vor­stel­len, in eige­ner Regie – also im Selbstverlag o. ä. – Bücher zu veröffentlichen?
Hm, ich weiß nicht. Im Moment wüss­te ich gar nicht, wie ich das anpa­cken soll. Ich ken­ne mich mit Layout und Covergestaltung so gar nicht aus, und wenn ich mir vor­stel­le, ich müss­te mein Manuskript irgend­wie in eine druck­ba­re Datei ver­wan­deln – ich glaub, allein damit wäre ich meh­re­re Tage beschäf­tigt. Und damit ist es ja noch nicht getan. Man muss sich um die Vermarktung und ein­ge­hen­de Bestellungen küm­mern, und bestimmt noch vie­les mehr. Ich zie­he den Hut vor jedem, der eine solch gro­ße Herausforderung allein meis­tert. Ich mag mir dar­um aber kei­ne Gedanken machen. Am liebs­ten wür­de ich nur schrei­ben, der Rest möge sich bit­te von selbst regeln :-).

Was hältst du von E‑Books?
Finde ich prak­tisch für unter­wegs, vor allem im Urlaub, weil ich dadurch einen leich­te­ren Koffer habe ;-). Aber gewöhn­lich lese ich immer noch lie­ber die gedruck­te Version, weil ich das Rascheln der Seiten und den Geruch so gern mag.

Was liest du selbst gern?
Krimis und humor­vol­le Bücher, ger­ne auch his­to­risch. Und natür­lich auch immer wie­der Kinder- und Jugendbücher.

Welche fünf Kinder- und Jugendbücher wür­dest du immer wie­der empfehlen?
Oh je, nur fünf, das wird schwie­rig. „Die Gebrüder Löwenherz“ von Astrid Lindgren, das ist mein abso­lu­tes Lieblingsbuch, obwohl es das schwie­ri­ge Thema „Tod“ behan­delt. „Die Unendliche Geschichte“ von Michael Ende – da ist schon der Titel sehr viel­ver­spre­chend.  „Tom Sawyer und Huckleberry Finn“ von Mark Twain, „Wir pfei­fen auf den Gurkenkönig“ von Christine Nöstlinger, „Der Buchstabenfresser“ von Paul Maar, weil er so schön mit Worten spielt.

Und als Bonus: „Wie die Kichererbsenprinzessin ihr Lachen zurück­be­kam“ von Hilke Rosenboom und die Tintenherz-Trilogie, die ist zwar noch rela­tiv jung, aber ich glau­be, man kann sie schon zu den Klassikern zählen.

Zum Weiterlesen:

Geisterstunde in Pyeville Manor: „Detective Invisible“ – „Kommissar Unsichtbar“ von Corinna Wieja

Kinderbücher mit Detektiven gibt es vie­le, mit einem unsicht­ba­ren Detektiv wohl eher nicht, mir fällt zumin­dest keins ein. Detektiv Jonathan Smartypants ist unsicht­bar, weil er ein Geist ist. Also ein toter Detektiv, der her­um­geis­tert, da er sei­nen letz­ten Fall nicht mehr lösen konn­te, das aber sei­ner Auftraggeberin ver­spro­chen hat­te. Und was man ver­spro­chen hat, das muss man auch … so ist das eben.

Smartypants spukt in einer alten Villa namens Pyeville Manor, in die es in den Sommerferien Josy mit ihrer Mutter (die aus Deutschland stam­men) ver­schlägt. Josys Mutter hat über­ra­schend die Villa geerbt und will dort ein Bed & Breakfast eröff­nen. Genau, ein B & B, denn die Geschichte spielt in Großbritannien, in der Nähe von Brighton. In der Villa leben noch der Gärtner Mr Partridge und die Haushälterin Mrs Summer, die in den Ferien ihren Enkelsohn Jared zu Besuch hat.

Dass es in der Villa nicht mit rech­ten Dingen zugeht, merkt Josy gleich in der ers­ten Nacht: Da erscheint ihr Detektiv Jonathan Smartypants, und schon steckt Josy mit­ten in einem Kriminalfall – kann sie Smartypants hel­fen, sei­nen letz­ten Fall zu lösen?

Die Geschichte hat alles, was ein ordent­li­cher Kinderkrimi braucht: einen kniff­li­gen Fall (Wo ist das „Himmelsherz“?), zwei Helden, die auf Trab sind – Josy und Jared –, einen sym­pa­thi­schen Sonderling – Jonathan Smartypants –, ein-zwei Verdächtige (hier kei­ne Namen …), Spannung, Rätselraten, Humor … und eine gute Portion Englisch, denn „Detective Invisible“ ist in der Langenscheidt-Reihe „deutsch-eng­li­sche Krimis für Kids“ erschienen.

Logisch, dass Englisch gespro­chen wird, da Josy (wie gesagt) in Großbritannien ist, und Jared, Mrs Summer, Jonathan Smartypants und all die ande­ren nun mal eng­lisch spre­chen. Die Gespräche sind also zum gro­ßen Teil auf Englisch, der Rest der Geschichte auf Deutsch. Das ist eine gute Mischung und  kommt ganz natür­lich rüber, man wird durch den Sprachenwechsel nicht aus der Geschichte gewor­fen. Manche Wörter und Wendungen sind im Text fett gedruckt und ste­hen ganz unten auf der Seite, mit Übersetzung. „Smartypants“ heißt bei­spiels­wei­se „Klugscheißer“ – ob der Name zum Geisterdetektiv passt, kann man ja mal selbst nachlesen.

Fazit: „Detective Invisible“ von Corinna Wieja liest sich flott weg, ist ab 10 Jahren und macht Appetit auf eng­lisch­spra­chi­ge Bücher. Hat mir gut gefallen!

Corinna Wieja
Detective Invisible – Kommissar Unsichtbar
Illustrationen von Jörg Hartmann
Langenscheidt Verlag
120 Seiten
6,99 Euro
ISBN: 978–3‑468–20892‑8