Wie wär’s mit „Runterschalten“? Ein Ratgeber von Wiebke Sponagel

„Runterschalten.“ Das ist mal ein prä­gnan­ter Titel – ein Wort, und man weiß Bescheid. Jedenfalls habe ich nicht ans Autofahren gedacht, als ich den Titel zum ers­ten Mal las, son­dern ans Arbeiten, und dar­um geht es in dem Buch von Wiebke Sponagel. Es rich­tet sich vor allem an Angestellte wie Wirtschaftsprüfer, Personaler, Manager, IT-Leute. Müllmänner, Bauarbeiter und Krankenschwestern sind zwar im sel­ben Arbeits-Hamsterrad,  für sie dürf­te das Buch aller­dings zu ver­kopft und arbeits­auf­wen­dig sein.

Ja, die­ses Buch lässt sich nicht auf die Schnelle durch­le­sen, es for­dert Zeit und Aufmerksamkeit. Was auch rich­tig ist, denn schließ­lich geht es um einen selbst und um Entscheidungen, die das Leben ändern kön­nen. Wiebke Sponagel ist Coach und Karriereberaterin, dies ist ihr ers­tes Buch. Zunächst zeigt sie, wie die Welt so ist, in der wir leben, Stichworte sind „Speed-Dating“, „Kochen statt Sex“, „Quality Time“ mit der Familie und in der Freizeit (=Privatleben) sowie „Norm-Karriere“, „inne­re Kündigung“, „Stress bis zum Umfallen“ (=Arbeitsleben).

Das Fazit des ers­ten Kapitels ist: Ich muss run­ter­schal­ten! (Sonst bräuch­te ich das Buch ja nicht.) Im zwei­ten Kapitel benö­tigt die Autorin erst mal eini­ge Absätze, um die künf­tig ver­wen­de­te Begrifflichkeit ein­zu­füh­ren. Vom „Lebensschiff“, der „Kunst des Steuerns“, von „Einhand-Seglern“ und vom „Driften“ ist die Rede. Wir befin­den uns also auf hoher See – und dabei woll­te ich etwas über das Runterschalten erfahren?

Der Zweck die­ses See-Bildes, das sich von nun an durch das Buch zieht, ist klar: Die Autorin will den Lesern etwas Praktisches in die Hand geben, das Verstehen und Nachvollziehen erleich­tern, nicht am übli­chen Coaching-Vokabular kle­ben­blei­ben. Bei mir ging das aller­dings nach hin­ten los. Ich habe mit Schiffen und der­glei­chen gar nichts am Hut. Die Begriffe sind mir so fremd, dass sie mich eher irri­tier­ten und ablenk­ten, als dass sie das Lesen flüs­si­ger gemacht hätten.

Doch das Kapitel hat viel zu bie­ten. Es geht um „Schiffbrüche“ (Unfälle, Krankheiten, ver­patz­te Prüfungen, Jobverlust usw.), den Umgang mit ihnen (nach Ursachen suchen, Situation aus ande­rer Perspektive betrach­ten), um „Drift-“ und „Steuerphasen“ im Leben. Und es wird per­sön­lich, denn in mehr als zwan­zig Übungen und Listen soll der Leser her­aus­fin­den, „wel­che Ausrüstung er an Bord hat“. Da wäre das „Workaholic-Barometer“, die Frage nach Stärken, Schwächen, Kompetenzen, Zielen, nach Werten, den Finanzen usw. Die Aufgaben ste­hen nicht ein­fach so im Raum, son­dern sind in Erklärungen und Beispielen ein­ge­bet­tet. Wer sich Zeit zum Antworten nimmt, wird danach bes­ser wis­sen, wo er steht und was er will.

Im drit­ten und letz­ten Kapitel schließ­lich zeigt Wiebke Sponagel Wege zum Runterschalten auf: 1) sich selbst­stän­dig machen (for­dert viel Zeit, Kraft und Aufwand), 2) ange­stellt blei­ben, sich aber ver­än­dern (Sabbatical, kei­ne Überstunden mehr, Teilzeit) sowie 3) einen neu­en Job suchen. Das ist sehr aus­ge­wo­gen dar­ge­stellt, die Autorin geht auf Fragen wie: Wäre das etwas für mich?, Wie geht das?, Wie steht es ums Geld? ein und zum Mutmachen gibt es Interviews mit Leuten, die auf die eine oder ande­re Weise erfolg­reich run­ter­ge­schal­tet haben.

Noch ein paar Fakten zum Buch allgemein:
Der Leser bzw. die Leserin wird direkt ange­spro­chen, die Autorin selbst ver­schwin­det auch nicht hin­ter einem „man“, hin­ter ande­ren Namen und Quellen. Das muss sie nicht, da sie Expertin für das Thema ist und auf einen Fundus von Erfahrungen aus ihrem Coaching-Berufsalltag zurück­grei­fen kann. Der Ton ist eher locker und geer­det, es ist ange­nehm, nicht mit hei­ßer Luft kon­fron­tiert zu wer­den. Gut fin­de ich, dass sich aus den ein­zel­nen Kapiteln mit gro­ßer Wahrscheinlichkeit jeder etwas her­aus­zie­hen kann. Vielleicht einen Hinweis wie bei dem Test „Mein momen­ta­ner Arbeitsplatz“: „Eine hohe Punktzahl deu­tet auch dar­auf hin, dass Sie über­ar­bei­tet sind und Ihre Gesundheit gefähr­det ist.“ Oder Aufmunterung durch die Abhandlung „klas­si­scher“ Stolperfallen auf dem Weg zum Runterschalten. Was mir gefehlt hat beim Lesen, war eine Durchnummerierung der Kapitel und Unterkapitel. Natürlich wird mit unter­schied­li­cher Schriftgröße gear­bei­tet, um eine Hierarchie anzu­zei­gen, doch mit Zahlen wäre es über­schau­ba­rer gewesen.

Und end­lich mein Resümee: Angestellte, die mit ihrem (Berufs-)Leben nicht zufrie­den sind, ans Runterschalten den­ken und sich auf ein Buch-Coaching ein­las­sen wol­len oder Anregungen suchen, dürf­ten mit Wiebke Sponagels Text gut fah­ren. Sie bekom­men vie­le Informationen in die Hand, außer­dem wird es in Checklisten und Übungen ganz per­sön­lich und kon­kret. Insgesamt eine run­de Sache!

Wiebke Sponagel
Runterschalten. Selbstbestimmt arbei­ten – gelas­se­ner leben
Haufe 2011
19,80 EUR
ISBN: 978–3‑648–01288‑8