Ein Bilderbuch über Wale, das könnte eine Geschichte oder ein Sachbuch sein. India Desjardins hat beides verbunden, sie greift Geschichten über Wale auf und informiert zu verschiedenen Themen, teils geht das ineinander über. In einer Geschichte zum Beispiel hat sich ein Beluga in einem Fischernetz verfangen, ein Fischer rettet ihn, der Beluga schwimmt weg, kehrt dann aber noch mal um und nickt dem Menschen wie zum Dank zu. Im Anschluss fragt die Autorin unter anderem, warum Wale Luft zum Atmen brauchen, ob sie nicken und ob sie Dankbarkeit zeigen können. Die Antworten sind sachlich, auf Basis der aktuellen Forschungslage, knapp genug und in einfachen Worten.
Das ganze Buch ist eine faszinierende Zusammenstellung von Fakten und Fiktion zu Walen, nicht geordnet wie ein Sachbuch, sondern eher im Fluss, wie es so kommt. Am Anfang steht die Unterteilung der Wale in zwei Gruppen, auf jeweils einer Doppelseite werden die Bartenwale und Zahnwale vorgestellt, mit wenigen Zeilen bloß, aber selbstverständlich mit Bildern von diversen Walen. Zur Geschichte der Wale erfährt die Leserin, der Leser etwa, dass es sie seit 35 Millionen Jahren gibt, sie jedoch erst seit 4,5 Millionen Jahren so groß sind.
Ab sieben Jahren ist das Buch laut Verlag, und das mag passen, denn Kinder können sich erst mal an die Geschichten und Bilder halten, die Wale in allen möglichen Situationen zeigen, ein Wiedererkennen gibt es vielleicht bei einer Szene aus „Pinocchio“, mit Pinocchio und Geppetto im Bauch des Wales. Die Bilder sind kindgerecht, aber nicht niedlich, für Erwachsene dürfte beim Betrachten eine Prise Wehmut mitschwingen, in Verbindung mit den Texten. Die Autorin macht recht deutlich, dass Wale stark bedroht sind: durch Überfischung (weniger Nahrung für die Wale), den Einsatz von immer mehr Fischernetzen, durch Umweltverschmutzung (speziell Plastikmüll), durch Schiffsverkehr und Schiffslärm (erschwert Walen die Orientierung) und nach wie vor durch Walfang, kurzum: durch den Menschen.
Ob die Wale noch zu retten sind, daran scheint die Autorin selbst zu zweifeln, so schreibt sie in ihrem Vorwort, sie hätte irgendwann verstanden, warum Wale sie so faszinierten: „weil sie gleich einem dunklen Vorzeichen das Ende einer Welt ankündigen, in der sie existieren können“. Was passiert mit einer Welt, in der Wesen, die es seit 35 Millionen Jahren gibt, nicht mehr leben können? Im letzten Jahrhundert gab es demnach noch 250.000 Blauwale, heute nur noch 5000.
Manche Texte und Erklärungen sind etwas anspruchsvoller, wenn beispielsweise die Kommunikation der Wale erklärt wird, von der Erzeugung der Laute bis zur Echoortung. Das Buch richtet sich also offensichtlich ebenso an ältere Kinder und Erwachsene. Auf 56 Seiten vermittelt die Autorin etliche Infos, jedoch nicht zu viele. Das ist ja durchaus ein Nachteil von reinen Sachbüchern, dass sie ein umfassendes Bild geben sollen und wollen, man aber das meiste gleich nach dem Lesen wieder vergisst. Und der emotionale Faktor ist bei „Die Wale und wir“ natürlich wesentlich. Das Buch dürfte bei vielen den Wunsch wecken, etwas für die Wale zu tun. Am Schluss findet sich eine Liste mit Dingen, die man selbst oder gemeinschaftlich machen kann, um die Lage der Wale bzw. der Tiere in den Meeren generell zu verbessern. Und auf der letzten Seite sind Websites von Organisationen und Institutionen aufgelistet, die über Wale informieren bzw. sich für den Schutz von Walen einsetzen.
Die Wale und wir
Text: India Desjardins
Illustrationen: Nathalie Dion
Aus dem Französischen von Caroline Grafe
56 Seiten
ab 7 Jahren
2023 Verlag Freies Geistesleben
ISBN 978–3‑7725–3138‑5
22 Euro