Es beginnt mit einem Brand. Véros Oma beziehungsweise Omama stellt eine Pfanne mit einem Beefsteak darin auf den Gasherd und geht hinaus in den Garten, um die Rosenstöcke zu beschneiden. Der Nachbar sieht, dass Rauch aus dem Haus quillt, und ruft die Feuerwehr. Denn Omama sieht den Rauch auch, begreift aber nicht, was er bedeutet: Sie hat Gedächtnisstörungen, wie es in der Familie heißt.
Omama kann nicht mehr allein in ihrem Haus bleiben, beschließt die Familie, und so muss Omama umziehen und Véro muss ihr Zimmer für Omama räumen. Véro bekommt ein besseres Zimmer, böse ist die 13-Jährige also nicht drum. Nun beginnt eine bewegte Zeit für Véros Familie: Das sind ihre Mutter, die Übersetzerin ist, ihr Vater, der Philosophie unterrichtet, und ihr älterer Bruder Guillaume. Eine leicht chaotische Familie, die einem beim Lesen schnell ans Herz wächst. Auch, weil sie Omama beim Abdriften in die Alzheimerleere voller Liebe begleiten. Denn Alzheimer ist es, was Omama hat: Sie ist körperlich gesund, doch ihr Gehirn lässt sie im Stich, Tests beim Psychologen und die Computertomographie bringen es ans Licht.
„Pardon, Monsieur, ist dieser Hund blind?“ ist ab 12 Jahren, es ist Véro, die dieses Schlusskapitel in Omamas Geschichte erzählt. Véro ist ein (französischer) Teenager, wie er im Buche steht, mit Jungs und Schule und in den Ferien Sonne und Strand im Kopf, und so ist es im Grunde ein optimistisches Buch mit vielen Momenten, in denen man lächelt und grinst. Dabei sind Dinge, Szenen, die man mit Alzheimerkranken erleben mag, gut und authentisch dargestellt, von den leichten Vergesslichkeiten über Sonderlichkeiten (Löffel und Essen unterm Bett horten, Baden in der Nacht) bis hin zum Verfall (nicht mehr kauen, sodass es kein richtiges Essen mehr gibt, sondern Babybrei). Es wird schlimmer, Omama wird weniger, und niemand kann etwas dagegen tun. Aber es gibt immer wieder Momente, in denen Omamas Persönlichkeit aufblitzt, und ein alter Koffer voller Briefe offenbart ein Stück aus Omamas Vergangenheit, von dem die Familie nichts wusste …
„Pardon, Monsieur, ist dieser Hund blind?“ ist ein behutsames, respektvolles Jugendbuch zum Thema Alzheimer. Es ist nicht zu leicht und nicht zu schwer. Ein gutes Buch.
Hervé Jaouen: Pardon, Monsieur, ist dieser Hund blind?
Aus dem Französischen von Corinna Tramm
Verlag Urachhaus
191 Seiten
Ab 12 Jahren
ISBN: 978–3‑8251–7786‑7
14,90 Euro