Miranda Lux ist fünfzehn und lebt mit ihrer Tante Trudi, der älteren Schwester ihres Vaters, in einem höchst ungewöhnlichen großen Haus, bei dem sich außen Elemente verschiedenster Baustile treffen und das auch innen so manche Überraschung parat hält. Das Haus passt perfekt zur Lux-Familie, denn Mirandas Eltern waren sozusagen Experten fürs Ungewöhnliche, UFOs und Außerirdische inklusive. „Waren“ deshalb, da sie vor Jahren bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kamen. Was Miranda allerdings bezweifelt, sie ist der Meinung, dass ihre Eltern seitdem nur verschwunden sind.
„Zweifeln“ ist ein gutes Stichwort, das spielt für Miranda und für das ganze Buch eine große Rolle. So ist Miranda Mitglied in einer geheimen Organisation, dem „Zweifelwerk“, dem Menschen angehören, die alles, was als „die Wahrheit“ verkauft wird, hinterfragen und der Meinung sind, dass es von einem Geschehnis immer mindestens zwei Versionen bzw. Geschichten gibt. Das Zweifelwerk beschäftigt sich unter anderem mit einer Reihe von Todesfällen, die durch siebzehn Zeilen der antiken Tragödie „Ajax“ von Sophokles miteinander verbunden sind. Und bei den „Ermittlungen“ zu diesen Todesfällen kommt Mirandas Geschichts- und Klassenlehrer Viktor Carelius ins Spiel, dessen Weltbild dabei gehörig erschüttert wird – kein Wunder bei dem, was ihm alles so passiert und begegnet …
Die Geschichte ist aus Mirandas und Viktor Carelius‘ Sicht erzählt, und zwar so, dass man die knapp 400 Seiten am liebsten in einem Rutsch lesen möchte. Sie ist rund und komplex gestrickt, humorvoll, zuweilen leicht verrückt, und sie nähert sich dem Thema Außerirdische, UFOs, Verschwörungstheorien auf eine unverkrampfte, fesselnde und spannende Art. Ihr größter Pluspunkt ist wahrscheinlich das Figurenensemble. Denn nicht nur die zwei Hauptpersonen Miranda und Viktor Carelius sind richtige Charaktere, sondern auch die Personen um sie herum: Tante Trudi mit ihrer Vorliebe für kitschige Serien und ihrer bedingungslosen Liebe zu Miranda, Viktor Carelius‘ Vermieter Frizzi, ein Alt-Punk mit Ordnungsfimmel, der windige Esoterik-Verleger Weirdo Wunderlich … sogar der Opa, der auf der Bank am Markt sitzt und nur ein einziges Mal erwähnt wird, ist nicht einfach nur ein Opa, sondern bekommt ein Stückchen Individualität. Das macht das Buch echt und lebendig, und was will man von einem Buch mehr?
Na ja, vielleicht eine Fortsetzung. Denn diese eine Geschichte ist am Ende zwar mehr oder weniger abgehakt, aber so ganz dann doch nicht …
Oliver Schlick: Miranda Lux – Denken heißt zweifeln oder warum jede Geschichte zwei Seiten hat
400 Seiten
ab 12 Jahren
ueberreuter 2016
ISBN: 978–3‑7641–7059‑2
16,95 Euro