Adventszeit. Nikolaus ist überstanden, die Schokoladenvorräte sind aufgestockt, (zu) viel davon ist bereits im Magen gelandet. Wie gut, dass es zur Abwechslung mal um Schokolade auf Papier gehen soll: Auf meinem Schreibtisch liegt, noch eingeschweißt, Jana Männigs „Lauter süße Sachen – Von Brockensplittern, Bambina & Hallorenkugeln. Die Schokoladenseite der DDR“. Das ausgepellte Buch riecht appetitlich nach Papier und Druck. Mein Eindruck nach einem ersten Durchblättern: angenehme, helle Farben, die Seiten sind luftig und übersichtlich gestaltet, sehr viele Bilder, auf jeder Seite mindestens eins. Außerdem: gute, feste Papierqualität, Hardcover.
Buch auf, los gehts. (Räusper.) Noch ein Schokoladenbuch! Was soll das? Kommt hier wenigstens was Neues? Antwort im Buch: „Hier und jetzt geht es um Schokoladenproduktion auf deutschem Boden – besser noch auf Deutschem Demokratischem Boden! Nehmen Sie sich eine Tüte Knusperflocken mit und lassen Sie uns weit zurückgehen!“
Knusperflocken. Alles klar? Das sind diese kleinen Spritzberge von Zetti, die ein Beweis dafür sind, wie lecker Ausschuss sein kann – denn neben Kakao gehört in die Knusperflocken auch Knäckebrot, das in Form von Knäckebrotbruch von der Burger Knäckebrotfabrik geliefert wurde. Irgendwann reichte der Bruch nicht mehr aus, so dass man zusätzlich intaktes Knäckebrot nehmen musste.
Geschichten wie diese findet man nicht bei Wikipedia und im Web. Sie sind auch ein Grund dafür, warum sich das Buch bestens in einem Rutsch lesen lässt. Wer lieber herumblättert und irgendwo mit Schmökern anfängt, kann das ebenfalls problemlos tun, denn in den Kapiteln wird jeweils in sich geschlossen eine Schokofabrik (VEB Rotstern, VEB Halloren, VEB Zetti usw.) vorgestellt oder ein Thema behandelt, z. B. Werbung, Süßes für Diabetiker und Verpackungsgestaltung.
Was ich nicht wusste, nicht wissen konnte, ist, wie breitgefächert das Angebot an Süßigkeiten war, die in der DDR produziert wurden: Neben den heute noch bzw. wieder bekannten Marken sind da Namen wie „Datschi“ (Vollmilchpralinen), „Honey“ (Schokoriegel), „Mon Plaisir“ (Pralinen) und „Roxe“ (Bonbons). Von Gummitieren über Schokoladenhohlkörpern bis Nougatriegel gab es eigentlich alles – theoretisch. Praktisch war vieles nur für den Export bestimmt, landete nicht in den Kaufhallen, sondern in Exquisit-Läden oder konnte aufgrund Rohstoffmangels oder Produktionsvorgaben immer mal nicht produziert werden.
Kakao war nicht nur in den Anfangsjahren der Produktion eine Mangelware, die gegen Devisen importiert werden musste. Aber man war ja erfinderisch! So wurde der Kakaogehalt in Schokoladen nach unten gedrückt und man suchte nach kakaofreien Alternativen. Das war die Geburtsstunde von Vitalade und Schlager-Süßtafel, Experimenten aus Erdnüssen, Mehl, Pflanzenfetten usw.
„Legionen von Jugendforscherkollektiven verdienten sich ihre Sporen bei der Erfindung von Ersatzstoffen, die die Herstellung von preiswerten und dennoch leckeren Süßigkeiten ermöglichen sollten. Gelungen ist ihnen das nicht immer, aber im Falle der legendären ‚Fruchtigen 12‘ schon!“
Was es im Buch noch zu erfahren gibt: Wie teuer die Süßigkeiten waren, was es mit der lila Kuh des Ostens auf sich hat, was Nougatstangen mit Zigarrenpackmaschinen zu tun haben, seit wann es in der DDR Kaugummi und weiße Schokolade gab, was ein „Stielbonbon“ ist und vieles mehr.
Fazit: Eine informative und kurzweilige Lektüre! Kleinkritelei: Manchmal hätte es ein wenig ausführlicher sein können. Wie war das z. B. mit Zusatzstoffen, also Aromen und Co.? Was bedeutete das Warenzeichen für Diabetikersüßigkeiten? Für meine Begriffe gibt es zu viele Ausrufesätze, stellenweise ist der Stil etwas salopp („Weltkrieg Nummer Zwo“). Die Tabellen im Anhang mit gepunkteten Linien sind auch leicht gewöhnungsbedürftig, aber langweilig wirken sie dadurch schon mal nicht!
Wie der VEB Zetti zu seinem Namen kam, stand nicht im Buch, deswegen wende ich mich mal an Euch: Habt Ihr eine Idee? Für die überzeugendste (lustigste? kreativste?) Antwort gibt es eine Tafel Bambina (die auch aus dem Hause Zetti kommt) von mir.
Steckbrief:
„Lauter süße Sachen – Von Brockensplittern, Bambina & Hallorenkugeln. Die Schokoladenseite der DDR“
Jana Männig (Mitarbeit Uwe Hessel)
BuchVerlag für die Frau
November 2009
136 Seiten
14,90 Euro
Wenn ich mich recht entsinne, gab es doch im „Exquisit“ Bekleidung, und der Luxus-Lebensmittelladen hieß „Delikat“?
*Patsch an die Stirn* – ja, richtig! Ich kann mich nicht erinnern, jemals in einem Exquisit oder Delikat gewesen zu sein, aber Delikat hört sich eher nach Essen an… (Und die Wikipedia bestätigt das.)
Und, hast Du eine Idee, woher Zetti kommen könnte? (Es geht um eine Bambina…) ;)
Der Delikat-Laden hieß im Volksmund: Fress-Ex!
Ich mach jetzt einen auf Fress-Ex und ess die Bambina auf. (Mjam, mjam.)