Schon verrückt, was Kinder alles so hinbekommen, ohne dass sie viel dafür tun müssten. Sie wachsen wie verrückt, von um die 50 cm auf 1 m innerhalb von vier Jahren; sie fangen mit Brabbeln an, probieren sich an Wörtern und können bald ganze Sätze bilden; sie werden geniale Schauspieler, für die ein Eisverzicht eine Tragödie ist; sie nehmen einfach alles mit, was sie mitbekommen.
Und da hätten wir jetzt ein Buch von Birgit Ebbert, Diplompädagogin und Autorin, mit dem Titel „100 Dinge, die ein Vorschulkind können sollte“. „Können sollte“ ist ja ein schöner Ausdruck – es ist kein „Muss“, aber so ganz ohne Druck kommt das doch nicht daher. Bestimmt ist es ein Buchtitel, der Eltern einfängt. Um ihn etwas zu entschärfen und die Dinge zurechtzurücken, gibt die Autorin im Buch diese Erklärung ab:
Wie eingangs bereits gesagt, sollen die 100 Dinge auf keinen Fall eine Liste zum „Abhaken“ darstellen, die Sie und Ihr Kind noch zusätzlich unter Leistungsdruck setzt. Vielmehr will dieses Buch Ihnen Mut machen, Ihr Kind zu fördern. Dafür brauchen Sie gar nicht viel: Schon wenn Sie Ihre Tochter oder Ihren Sohn im Alltag bei möglichst vielen Dingen einbeziehen, fördern Sie ganz nebenbei zahlreiche wichtige Fähigkeiten … (S. 129)
Es ist also alles gar nicht so schlimm, aber das fällt dem Neugierigen sowieso auf, sobald er das Buch aufgeschlagen und ein wenig darin herumgeblättert hat. Warum? Ich greife mal fünf von hundert Dingen, die ein Vorschulkind können sollte, willkürlich heraus:
- Ein Bild beschreiben
- Die vier Jahreszeiten unterscheiden
- Eine Figur kneten
- Regeln einhalten
- Sich alleine beschäftigen
Das ist im grünen Bereich, oder?
Zum Buch: 144 Seiten, fünf Kapitel. Übersichtlich, hell und freundlich gestaltet, jedes Kapitel hat seine Farbe. Im 1. Kapitel geht es allgemein um die Entwicklung vom Kleinkind zum Vorschulkind, in den folgenden vier Kapiteln sind die 100 Dinge aufgelistet, thematisch geordnet nach „Familie/Freunde“, „Körper“, „selbstständig werden“ und „in der Erwachsenenwelt zurechtkommen“. Es gibt viele Beispiele („die vierjährige Lena …“, „der fünfjährige Dennis …“) und ab und zu Kästen mit Informationen „Aus der Forschung“.
Ich spiele jetzt Lostrommel und ziehe ein paar Tipps und Empfehlungen heraus:
- Im Anhang stehen die Adressen von Nikolaus und Christkind. (Ich merke gerade, dass ich absolut noch nicht in Stimmung bin für so was. Weihnachten. Nee.)
- Das muss ich bei nächster Gelegenheit mal einer bestimmten Person zeigen: Toben, wenn man verliert, ist nicht okay. Aber protzen, wenn man gewinnt, auch nicht. ;-)
- Man sollte sich von den Kindern ja helfen lassen. Auch, wenns Arbeit macht … Aber wenn man sie um Hilfe bittet, was Birgit Ebbert empfiehlt – und sie keine Lust haben? Nein sagen? Was dann? Dafür gibts leider keinen Tipp …
- Erwachsenenbesteck schon ab 3 Jahren? Ehrlich? Ist schon noch bisschen groß …
An dem Buch gefällt mir, dass es viele gute Anregungen gibt, Ideen zum Basteln, Spielen, auch zum Einbeziehen des Kindes in kleinere Arbeiten im Haushalt. Was alles sinnvoll ist: Kerzen auspusten, Geschirr spülen, Knöpfe sortieren, dreieckige Stifte benutzen, Muster nachzeichnen … Im Anhang sind die 100 Dinge (ich will immer 1000 tippen …) in einer Tabelle aufgelistet und die jeweils zutreffenden „Entwicklungsziele“ markiert (Riechen, Feinmotorik, Sprache usw.). Apropos Sprache: Manchmal setzt sich beim Lesen eines Buches ja ein Wort oder eine Wendung fest, man lauert mit der Zeit regelrecht darauf, ob es wiederkommt – hier ging es mir mit „je … umso“ so. Naturgemäß kommt das in einem Buch über die kindliche Entwicklung recht häufig vor. Je älter, umso schlauer. Und jedesmal bin ich drübergestolpert, weil ich „je … desto“ erwartet hätte…
Birgirt Ebbert: 100 Dinge, die ein Vorschulkind können sollte
Gräfe und Unzer
ISBN 978–3‑833–816819
August 2010
144 Seiten
14,99 Euro
Als mein Großer damals mit drei Jahren in den Kindergarten kam, wurde uns erklärt, dass die Kinder zum Essen die extra-scharfen Messer bekommen (sahen wie Steakmesser aus). Weil sie damit das Fleisch wirklich durchbekommen und nicht ewig daran herumsäbeln müssen. Etliche Eltern schauten da sehr zweifelnd! Aber ich muss zugeben: Ich habe nie gehört, dass eines der Kinder sich geschnitten hätte. Also scheint es zu klappen. Manchmal muss man den Kleinen einfach genug zutrauen!
Ich hätte auch keine Bedenken wegen der Schärfe der Messer, es ist eher die Größe des Bestecks an sich, das erscheint mir für die kleinen Hände doch – zu groß.
Aber dass 3‑jährige Kinder mit Steakmessern hantieren, ist nicht die Regel in Kindergärten, oder? Würde mich jetzt wundern.