Das Buch hat etwas von Pippi Langstrumpf: In „Die wilde Meute“ regeln dreizehn Kinder, von zwölf bis vier Jahre alt, ihren Alltag ohne Erwachsene. Sie gehen regelmäßig in die Schule, ein Junge bekocht alle, zusammen halten sie das Hausboot, auf dem sie leben, in Schuss. Pola, die die Geschichte größtenteils erzählt, ist die Älteste und deswegen die Bestimmerin, sie hat zwei Halbbrüder, die anderen Mädchen und Jungen sind alle irgendwann zur Familie dazugestoßen, adoptiert von Polas Mutter Tineke. Tineke ist das Jahr über in der ganzen Welt unterwegs, um zu arbeiten und nach ihrer großen Liebe zu suchen, Polas Vater, den sie kurz nach dem Kennenlernen gründlich aus den Augen verloren hatte. Alle drei Monate schaut sie bei den Kindern vorbei und ruft jeden Samstag zur gleichen Zeit an.
Die Geschichte beginnt damit, dass eine übereifrige Dame vom Jugendamt nachforscht, ob die dreizehn Kinder einen geregelten Tagesablauf mit Eltern haben, und dass überall in der Stadt große Löcher auftauchen, eins davon direkt vor der Schule, in die die Kinder gehen. Niemand weiß, wer die Löcher gräbt, das will ich auch gar nicht verraten, nur so viel: Es ist ein bisschen wie in Michael Endes „Momo“, wo die grauen Herren die Zeit rauben, bloß anders. In „Die wilde Meute“ geht es nicht um die Zeit, sondern darum, dass alles zugebaut wird und einen Zweck hat, dass es keinen Platz mehr zum Toben und Wildsein gibt. Das bekommen auch die dreizehn Kinder zu spüren: Ihr Hausboot ankert an einer Halbinsel, die ursprünglich verlassen und verwildert war, doch im Laufe der Jahre wurde sie besiedelt und die Häuser rücken immer näher ans Meer und damit ans Boot.
Das Buch liest sich wunderbar, dazu tragen auch die schönen Illustrationen von Linde Faas bei. Bunt, leicht und detailverliebt, jedes der dreizehn Kinder ist auf eine ganz typische Weise dargestellt. Lesenderweise könnte man bei so vielen Kindern schnell den Überblick verlieren, was die Autorin verhindert, indem sie jedes Kind klar charakterisiert, aber nicht schablonenhaft und nicht über das Äußere. Da ist Jan, der ständig etwas strickt und schnell weint. Da ist Wolke, die meistens auf den Boden schaut und Tierchen rettet, egal ob Käfer oder Assel. Da ist Knut, der so wenig wie möglich redet, aber alle vorzüglich bekocht. Am Ende des Buches findet sich eine Übersicht aller Kinder, mit Bild und kurzem Steckbrief.
Und die Geschichte selbst? Die ist eine gelungene Mischung aus Abenteuer- und Familiengeschichte, mit etlichen Überraschungen und einem glücklichen Ende. Schön!
Ilse Bos: Die wilde Meute
Mit Illustrationen von Linde Faas
Aus dem Niederländischen von Eva Schweikart
303 Seiten
zum Vorlesen ab 7 Jahren, zum Selberlesen ab 10 Jahren
Urachhaus 2016
ISBN: 978–3‑8251–7927‑4
17,90 Euro