Schwer zu sagen, was ich von diesem Buch halte. Langweilig ist es nicht. Aber so richtig gefangen hat es mich auch nicht. Zum einen ist es recht kurz, ich hab es schnell gelesen, plötzlich war Schluss und ich überrascht – dass ich schon bei der letzten Seite angekommen war. Zum andern war der Stil nicht so ganz meine Sache. Über das Buch heißt es auf dem Cover: „Ein in seiner Klugheit ungewöhnliches Debüt, das von Liebe und Freundschaft, von Wahrheit und Wahn erzählt“ – das ist niemandem zugeschrieben, so hat es wohl jemand aus dem Verlag gesagt. Und solche Vorschusslorbeeren machen mich eher misstrauisch. Doch der Satz passt zum Buch, das in Sphären will, für die den meisten Menschen, auch Autoren, die Worte fehlen. Besser gesagt: die richtigen Worte. Die Worte, die passen, die nicht falsch, geziert, übertrieben, hohl, gewollt usw. klingen.
Erzählt wird in einem Jetzt, wir begleiten Helen, die wohl schön ist (so sagen andere) und als Bibliothekarin arbeitet. Der wichtigste Mensch in ihrem Leben ist Joseph, ihr Pendant, ihr Gegenstück. Seit einem traumatischen Erlebnis im Kindergarten (aua! Wenn man sich die Szene vorstellt …) begleitet er sie, nie ist sie lange ohne ihn. Doch Helen ist an einem Punkt angekommen, an dem sie sich von Joseph trennen muss. Husch Jostens Roman ist also die Geschichte einer Ablösung, vielleicht eines Endes und eines Neuanfangs, so genau will ich das hier nicht schreiben, lest es besser selbst!
Die Beziehung zum alten Vater, zu Josephs Eltern, zur Kollegin, zur Schulfreundin, zu einem Fernsehkoch, der im Grunde kein Fremder ist – es spielt einiges rein, und die Autorin und das Buch bleiben gelassen, sinnieren, Helen ist mehr im Kopf als mit dem Körper unterwegs. Eine Szene mochte ich sehr: Helen bekommt von ihrem Verehrer aberwitzig viele Rosenköpfe, also Rosen ohne Stiele, und der Mann droht ihr, jeden Tag welche zu senden, bis sie endlich mit ihm ausgehe. Helen stellt sich die Wohnung vor, die mit Rosenköpfen vollgestopft ist:
„Es riecht, es duftet so unerträglich nach Rosen, dass man sich ein Taschentuch um Mund und Nase binden und sich den Weg mit einem Buschmesser durch den Urrosenwald pflügen muss. Die Zugasse wird gesperrt, Sirenen geben Schadstoffalarm wegen unklarer Geruchsentwicklung über der Stadt. Im Fernsehen Bilder von Feuerwehrmännern in schwerer Montur auf Leitern. Am Ende sind sie alle tot. Mutter, Vater, Tochter. Erstickt. Eine botanische Tragödie.“
Ich will doch nur spielen, so les ich das, und ich mag es. Es ist schwer, die Balance zu finden und zuverlässig abzuschätzen, wo es noch gut ist und wo es zu viel ist, das gilt für die Sphären des Fast-Unsagbaren, siehe oben. Ein wenig unzufrieden lässt mich das Ende zurück, auf einmal wird alles erzählt und gesagt und gelöst, und das war es dann. Ich bin sicher, dass man aus dem Buch einiges mitnehmen kann, ich hab mich streckenweise amüsiert im positiven Sinne und es mal wieder genossen, eine andere Welt kennenzulernen. Wie gut, dass es Bücher gibt und Autoren, die Menschen und ihre Lebensumwelt schildern können, sodass es nachvollziehbar wird. Martha, Josephs Mutter, bleibt im Gedächtnis, sie hat ihr Leben nach dem Tod ihres Mannes grundlegend umgekrempelt und ist am Ende nicht die unmütterliche Frau, als die sie zunächst erscheint.
Ich hab diesem Buch, „In Sachen Joseph“, gern meine Zeit gegeben. Und bin gespannt auf das zweite Buch von Husch Josten.
Husch Josten
In Sachen Joseph
Berlin University Press
160 Seiten
19,90 Euro
ISBN 978–3‑86280–001‑8