Der Countdown läuft: Ianthe hat eine Woche Zeit, sich von ihrem Vater zu verabschieden, der in drei Wochen zum Mars fliegen wird – eine Woche Abschiednehmen mit der Familie, zwei Wochen Quarantäne. Das Buch spielt im Jahr 2039, also in einer relativ nahen Zukunft. Sie erscheint einem sehr vertraut, so könnte es sein, wenn alles mehr oder weniger genauso weitergeht wie bisher: Probleme unserer Zeit haben sich noch vergrößert, so der Klimawandel und die Kluft zwischen Arm und Reich. Technisches wurde weiterentwickelt und verbessert, dafür hat sich die Autorin Namen ausgedacht, die ganz authentisch klingen, wie „Magmag“ („meistverkauftes Smartphone der Welt ab 2031 im Bereich Wearables“) und „Silver Orb“ („tragbares Soundsystem, seit 2036 Marktführer“). Fake News gibts nach wie vor in Massen und deswegen auch immer mehr „Quellenprüfer“ („in Deutschland seit 2023 anerkannter Studiengang“), und die „First-Mother-Bewegung“ will die Raumfahrt abschaffen und dass das Geld stattdessen in die Erde investiert wird.
Es passt natürlich, dass im Jahr 2019 dieses Buch erscheint, das den Start der ersten bemannten Mars-Mission im Jahr 2039 ansiedelt, denn am 21. Juli 1969 betraten Neil Armstrong und Buzz Aldrin im Rahmen der Mission Apollo 11 als erste Menschen den Mond. „Wenn wir nach den Sternen greifen“ beginnt drei Wochen vor und endet mit dem Start der Rakete, im Mittelpunkt steht das Abschiednehmen – wie die 17-jährige Ianthe, ihre jüngere Schwester Sanja, ihre Mutter und der Vater damit umgehen. Drei Jahre dauert die Mission im All, falls etwas schiefläuft, ist es ein Abschied für immer.
Von der Welt „außen“ bekommt man im Buch fast nichts mit, Ianthe und ihre Familie verbringen die Zeit bis zum Start der Mars-Mission auf einem abgeschotteten, schwer bewachten Gelände in Florida in der Nähe des Kennedy Space Center, ebenso wie die Familien der anderen Astronauten. Sie sind viel am Strand, gehen ins Kino und essen, leben wie unter einer Glocke, die alles abdämpft, auch das ein oder andere Ereignis, das die Ruhe eigentlich empfindlich stören sollte. Ianthe muss zudem entscheiden, wie es nach dem Start für sie weitergehen soll. Sie macht erfolgreich Musik und hat ein Angebot von einem Musiklabel, müsste aber von Mutter und Schwester wegziehen, wenn sie es annimmt …
„Wenn wir nach den Sternen greifen“ ist gekonnt und flüssig geschrieben, die 220 Seiten lesen sich schnell. Geschichte und Figuren bleiben etwas an der Oberfläche, vielleicht hätten sie mehr Platz bzw. Seiten zum Entfalten gebraucht. Bei dem Stoff wäre problemlos eine dramatischere Story zum Mitfiebern möglich gewesen – so ist es ein eher ruhiges Feel-Good-Buch, das dennoch fesselt. Nicht zu vergessen das schöne Cover mit dem Mädchen, das in den Himmel und zu den Sternen schaut: Nicht nur ihr Vater, auch sie greift danach.
Kathleen Weise: Wenn wir nach den Sternen greifen
Lektorat: Angela Iacenda
220 Seiten
ab 14 Jahren
2019 ueberreuter
ISBN 978–3‑7641–7093‑6
16,95 Euro