Fünf mal fünf Fragen an eine Texterin. So viele Fragen – an wen? Judith Burger, www.judith-burger.de und www.text-burger.de (Blog).
1. Warum bist Du Texterin?
Es hat sich so gefügt. Eins ist zum anderen gekommen. Ich habe es ausprobiert, weil mir die Arbeit mit Sprache nahe lag. Da hatte ich Lust drauf.
2. Wie bist Du Texterin geworden?
Ich hatte mein Studium abgeschlossen und vertrieb mir so die Zeit mit Kellnern, Theater-Spielen, Kolumnen schreiben. Das war eine wirklich schöne Zeit. Aber diese berühmte Formulierung kam meinem unsteten Lebenswandel bedrohlich näher: „Was Richtiges machen. Was Ordentliches. Etwas, mit dem alles geregelt ist.“ Just zu diesem Zeitpunkt bekam eine Freundin von mir ihren ersten Job als Juniortexterin. Ich wohnte mit ihr zusammen und bekam so den Arbeitsalltag hautnah mit. Ich dachte, das kann ich doch auch! Ein halbes Jahr später ging ich nach Frankfurt Main. Dort bewarb ich mich mit Kolumnen-Texten und Rezensionen, in Sachen Werbetext hatte ich null Ahnung. In meinem Lebenslauf stand, dass ich als Nachtputze gearbeitet habe, das fanden die irre lustig. Ich glaube, sie haben etwas in mir gewittert.
3. Heißen Texter schon immer Texter?
Das weiß ich nicht. Hm, ich könnte an dieser Stelle vielleicht etwas anderes erzählen, vielleicht von meinem ersten Text-Job. Das war ein Kundenanschreiben für die Modemarke Windsor. Ich war völlig überfordert und brachte keinen Satz auf das Papier. Dann kam mein damaliger Chef, grinste nur und meinte: „Mal ganz ruhig bleiben, das kriegen wir schon hin. Texter fallen eben nicht vom Himmel.“
Ist das eine gute Ersatzantwort?
4. Seit wann gibt es Texter?
Seit Balisto Keksriegel… Hihi, nein, Texter sind wohl so alt wie Werbung, oder? Früher hießen die „Schreiber“? Glaube ich…
5. Welche Texte textest Du so?
Alles, womit man mich beauftragt. Allerdings gibt es auch Grenzen, z.B. der Bereich Politik. Da kann ich nicht objektiv bleiben. Ansonsten lernt man als Texterin eine Menge, z.B. über kranke Füße, Heizungsbau, Spritzbrühe, Drucktechniken u.s.w.
6. Welche Texte textest Du am liebsten?
Texte, die eine klare Botschaft haben und inspirierende Themen transportieren.
7. Wie viele Texter gibt es in Deutschland?
Ähm … viele! Sehr viele.
8. Welche Netzwerke und Verbände gibt es für Texter?
FFW – Fachverband Freier Werbetexter, Texter.de, Texttreff und viele mehr.
9. Wie läuft die Ausbildung zum Texter normalerweise ab?
Jeder kann Texter werden. Das hat aber nichts damit zu tun, dass viele, die keine Texter sind, sich für Texter halten, weil das ja sooo einfach sei. Die Ausbildung ist einfach nicht geregelt. Man muss auch überhaupt nicht studiert haben. Entscheidend ist die Kreativität. Ein Texter kann mit einem Praktikum in einer Agentur beginnen oder sogar ohne. Wie ich. Einfach Job kriegen und anfangen. Große Agenturen machen vor einer Neueinstellung oft einen Copytest, um die Kreativität des Texters zu prüfen. Mittlerweile gibt es aber auch Ausbildungsstätten für angehende Texter, zum Beispiel die berufsbegleitende Texterschmiede in Hamburg, das KreativKader in Düsseldorf oder der Studiengang „Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation“ an der Universität der Künste in Berlin.
10. Kann man auch als Texter Erfolg haben, wenn man keine Agenturerfahrung hat?
Ob das so ist, weiß ich nicht. Ich finde Agenturerfahrung sehr wichtig. Dort lernt man, wie eine Kampagne entsteht, arbeitet zusammen mit Graphikern und Kontaktern. Nur in einer Agentur kommt man auf Tuchfühlung mit der Werbebranche und ihren Klischees, z.B. dass Kreative immer schwarze Rollis tragen.
11. Was ist wichtiger: Kreativität oder Handwerk?
Eins geht nicht ohne das andere.
12. Welche Koryphäen gibt es unter den Textern?
Ich kenne keine Namen. Ich kenne nur berühmte Sprüche wie z.B. „Nur Küsse schmecken besser“. Oder: „Der Tag geht …“ Oder: „Better than Life“. Aber das ist so, Texter treten hinter dem Produkt zurück. Oder doch, einige berühmte sind: Jean-Remy von Matt, David Ogilvy …
13. Was ist die Bibel der Texter?
Die Bibel lass ich Bibel bleiben. Was immer in Reichweite liegt, ist „Sag es treffender“ von A. M. Textor.
14. Ticken Texter anders als nichttextende Menschen?
Ticke ich nicht richtig? Andrea, sag jetzt nichts Falsches …
15. Betextest Du am Morgen Dein Müsli?
Ich esse kein Müsli. Aber auch mein Knäckebrot und mein türkischer Kaffee entlocken mir keine Sonette. Nö. Ich bin froh, wenn ich beim Frühstück meine Ruhe hab. Da lese ich lieber Blogs, z.B. querbeet gelesen, gell.
16. Wie finden Deine Kunden zu Dir?
Auf Empfehlung, über meine Akquisepost, über meine Website, über Xing.
17. Welche Texte sind am schwierigsten?
Alle Texte sind schwierig, wenn ich nicht motiviert bin.
18. Welche Texte sind am leichtesten?
Aaaaaach, wenn es vom Kunden ein dickes Lob gibt, dann werden selbst die kniffligsten Texte zu Klacksen.
19. Schreiben Texter privat noch Lyrik oder Prosa, um sich auszuleben?
Na, das muss jeder halten, wie er mag. Viele schreiben privat. Das kommt doch aus der Natur der Sache. Ein Gärtner hat ja privat auch ein paar Pflanzen zu Hause.
20. Warum heißen Texter Texter, gibt es keine nettere Bezeichnung?
Findest du das nicht nett? Ich finde das Wort Texter klasse. Es trägt einen gezückten Dolch mit in sich drin. Da wird was angepiekst. Hörst du das nicht? Sag mal: TeXter. Mich fragen manchmal Leute, was ich mache. Dann sage ich: „Ich bin Texterin.“ Dann fragen die: „Was macht man da?“ Ich: „Z.B. Texte für Broschüren, Web-Seiten, Anzeigen…“ Dann lächeln sie: „Ach, hier Layout und so!“ Ich wieder: „Nein. Nur die Texte, die im Layout stehen.“ Die Leute: „Ach so. Mehr nicht???“
Danke, Judith! :-)
Wie Ihr seht, sind das 20 Fragen, und 5x5 ist immer noch 25. Die letzten fünf Fragen habe ich für Euch reserviert: Was wollt Ihr noch von Judith wissen? Kommentiert und fragt drauflos, Judith antwortet. Oder? Judith? Ach, und wer noch mehr Antworten hat – die sind auch willkommen! (Und „Nur Küsse schmecken besser“ sagt mir gar nix …)
Andrea!!! Nur Küsse schmecken besser ist von Eckes Edelkirsch. Wenn wir uns das nächste Mal sehen, trinken wir mal so ein Likörchen, was? :-)
Schönes Interview!
Die Reaktion der Leute (letzte Frage) kenne ich nur zu gut. Ich bin zwar keine Texterin, aber in meinem Job (Technische Redakteurin) ist das sehr ähnlich, da kann sich auch keiner vorstellen, wie das eigentlich abläuft.
Eckes Edelkirsch – da gehöre ich wohl nicht zur Zielgruppe. ;-)
(Der Edelkirsch-Mann sieht ja komisch aus… http://www.markenmuseum.com/903.0.html)
Noch mal ich: Hier tobt ja das Leben, aber nur hinter den Kulissen. ;-) Wenn Euch noch nix einfällt, was man die Judith fragen könnte, mach‘ ich mal den Anfang:
21. Woran erkennt ein Kunde, der keine Ahnung hat, eine gute Texterin/einen guten Texter? (Bevor er den Auftrag vergibt und das Kind sozusagen in den Brunnen gefallen ist.)
Daran, dass er sofort einen geforderten Stil texten kann, dass er kritikfähig ist, dass er … Ach so, jetzt lese ich: Vor dem Auftrag! Schwierig. Menschen können sich gut verstellen. Aber ein professionelles ANgebot und z.B. gewisse Fragen beim Briefing signalisieren schon, dass sich jemand mit Texten auskennt.
22. Liebe Judith, wie viel Prozent Deiner Arbeit bestehen aus recherchieren und wie viel aus texten? So über den Daumen gepeilt. Und was machst Du, wenn Du für 100 Seiten Stoff hättest und daraus einen einzeiligen Slogan basteln solltest? Sag jetzt nicht: lachen!
Liebe Silke! 1. Frage: Das ist schwer zu sagen. Texten heißt ja bei einem kleinen Text von sagen wir mal 6 Sätzen: texten,löschen, texten, löschen, texten, zur Hälfte löschen, ändern, ändern, ändern, und am Ende wieder kürzen. Vielleicht ist es Hälfte-Hälfte mit dem Recherchieren. Oft muss man sich mittendrin noch einmal in Themenschwerpunkte einlesen.
2. Frage: Schritt für Schritt vorgehen: Die 100 Seiten durchforsten und nur das Wichtigste herausschreiben, dann aus den Aufzeichnungen wieder Unwichtiges rausstreichen, dann mit den übrig gebliebenen Themen verschiedene Claim-Ansätze bilden. Also viele Claims zu verschiedenen Ansätzen, die ich aber beim ersten Treffen mit dem Kunden nicht alle preisgebe, um noch Material in der Hinterhand zu haben.
Lachen gehört immer dazu :-)
Liebe Judith, das ist aber viel Arbeit! Hoffentlcih wissen das Deine Kunden zu schätzen. ;-)
Was für ein interessantes Interview. Und beinahe hätte ich es verpasst! Das muss man doch wissen, dass Judith Schnapspralinen mag (ich mag übrigens keine).
Dafür ist mir eine schöne Frage (finde ich) eingefallen:
23. Gibt es einen Lieblingsbereich, in dem Du gerne texten würdest/textest? Mode, tolle Autos, Kultur, Technik, Kosmetik, was weiß ich …
Ach Daniela – ich nehme alles. Mode-Herrlich, Autos, Kultur… Es kommt oft gar nicht auf das Thema an, sondern auch auf das jeweilige Werbemittel oder auch die Bereitschaft, des Kunden, einen originellen Ton anzuschlagen.
Noch zwei Fra-ha-gen, noch zwei Fragen, noch zwei Fragen, die Ihr fragen könnt, immer zu, noch zwei Fra-ha-gen…
Liebe Judith,
was hältst Du von den Internetagenturen wie Text*broker u.a.? Hat es Sinn, sich da zu tummeln?
Ein Foto hätt ich noch für Dich, von Alfred Limbach, den ich in Köln zufällig in seinem Laden/Büro traf:
http://michaelmoeller.posterous.com/alfred-limbach
Wow, das marschierende Bonduelle-Gemüse, das kenne ich noch aus Kindertagen und heimlich Westfernsehen-Gucken. Ein echter Gassenhauer Werbeliefer setzen ja sowieso nochmal eins drauf. Kennt ihr das Gutfried-Wurst-Lied? Yeah!
Ich habe mit Text*broker überhaupt keine Erfahrungen. Ich kenne auch niemand, der dort ist. Ich fürchte, ich kann deine FRage nicht beantworten. Weiß vielleicht jemand anderes die Antwort? Andrea? SIlke? Daniela?
Micha, schau mal auf der Website von Text*broker nach, wie das Honorar für Autoren aussieht: Autoren/Vergütung (Auszahlung pro 500 Wörter). Ich finde, das spricht für sich.
Micha, lass die Finger davon. Das bringt nichts! Neugierig, wie ich nun einmal bin, habe ich mich dort angemeldet und nach einem Probetext einen Text über eine Mittelmeerinsel geschrieben. Obwohl ich schon einmal da war, musste ich doch ein wenig recherchieren. Dauer: ca. 20–30 Minuten. Bezahlung: 2,63 Euro. Nein, ich habe das Komma nicht falsch gesetzt. Ich habe mich wieder abgemeldet.
Nutze die Zeit zur Akquise, häng die Wäsche auf oder spiel 5 Runden Solitaire – alles ist besser. Das ist Kik für Texter, Dumping hoch 10.
Oh, dann mach ich das mit der Wäsche, sobald der Regen aufhört. Zwei Euro dreiundsechzig. Dann kik ich mal woanders.…
Danke!
Stellt euch mal vor, es gäbe diesen Beruf gar nicht. Was wär nur aus uns geworden? Wir hätten ihn erfinden müssen …
Liebe Heike, das hätten wir aber mit links geschafft :-)
Ja, schön, dass es Euch gibt! :-) Aber wie viele Texter (und natürlich Texterinnen) gibt es denn nun in Deutschland? Von Lektorinnen (und Lektoren) gibt es doch auch Schätzungen…
Noch ein Nachtrag zum 4. Kommentar bzw. zur 21. Frage, „Wie erkenne ich eine gute Texterin?“ – Antworten gibt es hier: http://www.protextbewegung.de/profitexter/profitexter-erkennen/